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Johannes W. Schneider

Nr 133 | Januar 2011

In Erinnerung

Am 26. Oktober 2010 verstarb Dr. Johannes Wolfgang Schneider – so, wie er gelebt hat und wie er sehr vielen Menschen in vielen Ländern bekannt geworden ist: still und unspektakulär. Er ist einfach friedlich eingeschlafen. Auch ohne spektakuläre Aktionen hat sich Johannes W. Schneider so in das Bewusstsein vieler Zeitgenossen eingeschrieben, dass sie ihn und seine Arbeit vermissen.
Johannes W. Schneider, am 26. März 1928 geboren, wuchs in Thüringen (Heldburg und Jena) auf und studierte in Jena und Kiel, wo er bei F. Blättner mit einem Thema über die Pädagogik der Waldorfschule promovierte. Zwischenzeitlich besuchte er das Stuttgarter Waldorflehrerseminar. Jeweils einjährige Mitarbeit als Assistent der Anthroposophischen Gesellschaft in Stuttgart und in der Heilpädagogik in Schweden folgte. Hieran schloss sich eine zehnjährige Lehrertätigkeit als Klassen- und Fachlehrer an der Waldorfschule Engelberg/Württemberg (1955 bis 1965) an. In den nächsten fünf Jahren (1965 bis 1970) war Schneider Vortragsredner in Diensten der Anthroposophischen Gesellschaft.
1970 – so beschreibt es Schneider selbst – beginnen mit der zweiten Lebenshälfte völlig neue Lebensmotive zu wirken. Zum einen bucht er mehr zufällig eine Reise nach Südostasien und findet dort eine innere Nähe und Verbundenheit, die ihn bis zu seinem Tod begleiten. Immer mehr erschließen sich ihm die ostasiatische Kultur, Religion und Gegenwart. Reisen nach Japan und Korea lassen ihn neben vielen öffentlichen Vorträgen in den intensiven Austausch mit asiatischen Hochschullehrern treten. Seine Aktivitäten führen so z. B. zur Gründung der koreanischen Waldorflehrer- und -erzieherausbildung. In vielen Zeitschriften­aufsätzen und Vorträgen regt Schneider zum wertschätzenden Gespräch zwischen Ost und West an. Interessanter­weise nähert sich seine Physiognomie immer mehr asiatischem Ausdruck, sodass er einmal in China gefragt wird, welche asiatische Herkunft er denn habe.
Zum anderen wendet sich Schneider dem kleinen Kind zu. Wegen der Gründung einer anthroposophischen Fachhochschule kommt er 1970 nach Dortmund. Als dieses Unterfangen nicht gelingt, arbeitet er in der Fachschulausbildung von Erzieherinnen in der Hibernia­schule Herne und später in Dortmund mit. Gastaufträge in anderen Seminaren führen ihn immer wieder durch Europa und nach Asien. Bis etwa zu seinem 80.Geburtstag absolviert Schneider ein unglaubliches Pensum an Vorträgen und Seminaren weltweit.
Ist für Schneider die Hinwendung zum kleinen Kind gleichzeitig die Forschungsfrage nach der Vorgeburtlichkeit des Menschen, so ist seine Mitarbeit im Dortmunder Altenpflegeseminar gleichzeitig die forschende Arbeit am Übergang des Menschen in das Leben nach dem Tod.
Was zeichnete J. W. Schneider aus? Alle Inhalte, die er in seinen Unterrichten, Vorträgen oder Kursen dargestellt hat, waren Zeugnis eigener Beobachtung und Erfahrung. Deswegen überzeugten und berührten seine Darstellungen nahezu alle, die ihn hörten und erlebten, auch wenn sie selbst weltanschaulich ganz woanders beheimatet waren. Unbedingte Wahrhaftigkeit und Authentizität waren für Schneider Selbstverständlichkeiten seines Nach-außen-Tretens. Mit Johannes W. Schneider verliert die anthroposophische Bewegung einen Menschen, für den der goetheanis­tische Ansatz des Forschens zur fachlichen und moralischen Bedingung geworden war.
Bis wenige Tage vor seinem Tod hat Johannes W. Schneider an­gefangene Buch- und Aufsatzmanuskripte abgeschlossen, sodass wir in der Folgezeit noch einige neue Zeugnisse seines Wirkens erwarten dürfen.

Von Wolfgang Saßmannshausen