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«Mein Klavier ist … mein Ich, meine Sprache, mein Leben …»

Maja Rehbein­

Nr 139 | Juli 2011

Aus Ungarn kam schon manches Gute und Großartige nach Thüringen, man denke nur an die heilige Elisabeth. Ihre Ankunft auf der Wartburg 1207 wurde noch nach 800 Jahren gewürdigt. Auch Franz Liszt (1811 – 1886), dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, stammte aus Ungarn und fühlte sich Elisabeth schon deshalb verbunden.
Auf Einladung von Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach kam der europaweit bekannte und umschwärmte Klaviervirtuose Liszt 1848 als Hofkapellmeister nach Weimar. Hier wurde er zum Komponisten und Musikschriftsteller. Es entstanden die symphonischen Dichtungen, die Faust-Symphonie und viele Klavierwerke. Weimar war für ihn «la patrie de l’idéal».
Der Großherzog ließ die halb verfallene Wartburg restaurieren und beauftragte Moritz von Schwind, sechs Fresken mit Szenen aus dem Leben der Heiligen zu malen. Diese inspirierten Liszt, das Oratorium Legenden aus dem Leben der heiligen Elisabeth zu schaffen, das er 1867 auf der Wartburg aufführte. Schwinds Wolfram von Eschenbach auf dem Sängerkrieg-Fresko trägt seine Züge.
Bis 1861 wohnte Liszt mit der Fürstin Sayn-Wittgenstein und ihrer Tochter Marie auf der Altenburg oberhalb Weimars. Hier beherbergte er 1848 den verfolgten Richard Wagner und setzte sich für sein Werk ein. Auch Wagner wurde die Wartburg zum Lebensthema (Tannhäuser). Liszt half vielen Komponisten, regte eine Orchesterschule an (heute Hochschule für Musik Franz-Liszt) und unterrichtete Meisterschüler unentgeltlich. «Nur der Geist, das tiefste Wesen der Musik, wurde von Liszt mit blitzartig erhellenden Bemerkungen klargelegt ...» (F. Lamond).
Später lebte Liszt in Rom und Weimar, sommers im Hofgärtnerhaus am Ilmpark (ab 1887 Liszt-Museum). Die Einrichtung ist weitgehend erhalten. Seit 2006 vermittelt dazu eine moderne Medien­ausstellung die Vielseitigkeit Liszts. Höhepunkt ist eine Klang- und Lichtinstallation (Klaviersaite und Lichtfaser), die sich seiner Zerrissenheit zwischen religiöser Askese und öffentlichem Auftritt widmet. Die Installation scheint bis in den Himmel durchzustoßen und symbolisiert Liszts Tendenz zur Grenzüberschreitung.
Sein Schaffen ist auf 200 Veranstaltungen im Land Thüringen erfahrbar, eine für jedes Jahr seit Liszts Geburt am 22. Oktober 1811 in Raiding / Doborján: in der Wartburg-Ausstellung Musik, die ans Gebet grenzt …, bei Konzerten in der Altenburg und vor allem bei der Landesausstellung Franz Liszt – Ein Europäer in Weimar. Ihr erster Teil im Schiller-Museum zeichnet Liszts künstlerische Entwicklung nach, mit Weimar als Höhepunkt. Zu sehen sind Gegenstände aus seinem Besitz, Gemälde, Briefe und Erstausgaben seiner Werke.
Im Schlossmuseum wird – unter dem Motto «Kosmos Klavier» – die Beziehung Liszts zur Entwicklung des Klaviers im 19. Jahr­hundert gezeigt; man sieht und hört die historischen Instrumente. Im Schlosshof steht ein begehbarer Flügel, bei dem man sich selbst im Innern des Klangs erleben kann!
Liszts Musik mit den sehnsuchtsvollen Melodien, kraftvollen Rhythmen und erregenden Tiefen ist heute immer noch gefragt. 1841/42 brach vor Begeisterung in Berlin eine «Lisztomanie» aus, wie Heine die hysterische Reaktion des Publikums nannte, die vergleichbar ist mit der Wirkung heutiger Popstars. Ganz Europa lag Liszt zu Füßen, ehe er in späteren Jahren, nach schweren Schicksalsschlägen, den Weg zu einer geistlichen Musik fand.