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Dan Lindholm

Nur ein Zufall?

Nr 146 | Februar 2012

Die Ordnungen des Lebens sind oft verborgen. Doch manchmal drängen sie sich auf, wenn wir nur ein wenig aufmerksamer werden und uns für neue Fragen öffnen.

Nur ein Zufall? – So fragte sich ein alt-vertrauter Freund. Er berichtet: «Im Dunkel eines Schrankes in unserem Haus befanden sich zwei antike Leuchter. Sie waren zu einer Hochzeit geschenkt worden – nicht aber zur Hochzeit von meiner Frau und mir. Nein, meine Frau hatte die Leuchter aus einer ersten, gescheiterten Ehe mitgebracht.

Eines Tages, als ich ein wenig aufräumte, fiel mein Blick unwillig auf die beiden Leuchter. – ‹Was denkst du,mein Schatz›, fragte ich, ‹soll mit diesen Leuchtern geschehen?› Darüber hatte sich meine Frau keine besonderen Gedanken gemacht. –Verschenken? Nun, sie hatten nicht viel Glück gebracht. Nach einigem Hin und Her einigten wir uns, dass die Leuchter in demAntiquitätengeschäft, in dem sie gekauft worden waren, gegen etwas anderes umgetauscht werden sollten.

Dieser Vorsatz blieb zunächst nur Gedanke. Doch nach einiger Zeit sagte ich: ‹Morgen nehme ich die Leuchter mit in die Stadt.› Als aber der Morgen kam,war dasWetter so unwirsch, dass ich es unterließ. Eine Woche oder mehr verstrich, da hatte ich in der Stadt zu tun und wollte die unbequemen Leuchter mitnehmen.

Aber kaum zu glauben – ich vergaß sie!
Endlich befand ich mich eines Tages unterwegs mit den Leuchtern in meiner ledernen Tasche. Als ich aus der Vorortbahn stieg, sah ich einen Herrn, den ich eigentlich hätte begrüßen sollen. Doch was ich in derTasche hatte, kitzelte mich im Magen und ich unterließ es. Das wiederholte sich auf der Straße mit einer zweiten Person. Anderswo hinguckend schlich ich vorbei.

Auf diese Weise gelangte ich zum Ziel. Ich trat ein. Bis auf eine Verkäuferin war der Laden leer. Ob der Inhaber, den ich kannte, zu sprechen sei? – Nein, der war eben ausgegangen. Etwas zögernd erklärte ich, warum ich gekommen sei, dass ich zwei antike Leuchter hätte, die ich gern gegen etwas anderes tauschen möchte. – ‹Ich lasse sie jedenfalls hier›, sagte ich, ‹bitte grüßen Sie und sagen Sie, dass ich anrufen werde.›

Dagegen war ja nichts einzuwenden, und so holte ich den einen Leuchter aus der Tasche hervor. Ich hielt ihn in der Hand – in dem Augenblick ging die Türe auf.Wer trat ein? – Kein anderer als der frühere Mann meiner Frau, dem die Leuchter ja auch zur Hochzeit geschenkt worden waren.
Und ich? – In flagranti ertappt! Es gibt kaum Worte, die meine Beschämung zum Ausdruck bringen könnten, denn da stand ich und verkaufte das kostbare Geschenk, das er und seine damalige Braut zu ihrer Hochzeit bekommen hatten!Wie ich die Minuten überstand, bis ich wie ein geprügelter Hund wieder auf der Straße stand – ich weiß es nicht! Ich weiß aber, dass mir etwas zum Bewusstsein kam, eine verdrängte Schuld …»

Nachträgliche Überlegung: Zwei- oder dreimal wurde der Mann von seinem Entschluss, mit den Leuchtern in die Stadt zu fahren, abgehalten. Und als es endlich geschah, hätte er durch die Begegnungen mit zwei Bekannten aufgehalten werden können – und die fatalen Leuchter wären dem Hereintretenden nicht in der entscheidenden Sekunde zu Gesicht gekommen! Rein mathematisch kann man ausrechnen, dass die Möglichkeit für einen solchen «Zufall» gleich null ist.– Und der es erlebte, weiß: Das war eine Schicksalsführung.

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