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Bodil Bredsdorff

Liebe lange leichte Tage

Nr 152 | August 2012

gelesen von Simone Lambert

«Sie waren zu groß geworden, um zu spielen. Sie waren weder Pelzjäger in Kanada noch in Sibirien. Sie waren nicht auf Mustangs oder Islandpferden hierhergeritten.
Sie waren sie selbst, in der Dunkelheit eines Sonntag­nachmittags.»
Ist das Ende des Spiels auch das Ende der Freundschaft? Die Nähe zwischen Dot und Balthasar wird kompliziert. Da gibt es ein Bedürfnis nach Zärtlichkeit bei Dot und sexuelle Neugier auf Balthasars Seite. Dot, die seine Berührungen eher für die Fort­führung ihrer Kinderspiele hält, reagiert traurig und wütend, als ihre Mutter sich einmischt: «Sexualität? Was meinte sie damit? Das, was sie beide miteinander hatten, war nichts, dem man wahllos irgendeinen Namen überstülpen konnte. Außerdem würde es ihr niemals einfallen, mit jemandem darüber zu sprechen. Und schon gar nicht mit ihr.»
Jetzt feiert Balthasar eine Party und während Dot die Kartoffeln für den Salat schält, erinnert sie sich an gemeinsame Spiel­abenteuer. In episodischen Rückblicken schildert Bodil Bredsdorff die Kinderfreundschaft: Als Viehzüchter, Piraten, Großwild­jägerpaar treffen sich die beiden im Garten des Ferienhäuschens. Das fantasievolle, magische Spiel macht Kleines riesengroß, erwachsen groß. Da verwandelt sich der Acker in ein brausendes Meer, über dem die Möwen kreischen …
Die verschiedenen Spielwirklichkeiten wogen ineinander: die Kinder verlassen das Schiff des Pflaumenbaums, um sich darunter um ihre Tierfarmen im Amerika und Australien zu kümmern.
Dot – noch der Imagination des Spiels verhaftet – trifft ihre erste eigene, selbstbewusste Entscheidung, als sie erkennt, dass sie Balthasar nicht heiraten kann, weil sie dann «ihre Farm» verlassen müsste. Später mag Dot Balthasars Ideen nicht mehr kritiklos
folgen. Sie fragt nach, äußert eigene Wünsche und Einfälle.
Bodil Bredsdorff schreibt über Dots Reifung in ihrem kleinen Jugendroman ebenso schlicht wie poetisch. Die Spielwirklichkeit als poetische Wirklichkeit erweist sich als stabiler und stärkender als die Realität, der Dots Mutter mit forcierter Nüchternheit und Getriebenheit anhängt.
Es ist meisterhaft, wie Frau Bredsdorff die Entwicklung über das Erleben des Mädchens erklärt anstatt beispielsweise über Er­läuterungen eines auktorialen Erzählers oder über äußere Ereignisse und Einflüsse. Die Eltern sind präsent, aber nicht handlungstreibend. Die Autorin verzichtet auch auf detaillierte Personenbeschreibungen; Balthasars weißblondes Haar und Dots nackte, selbstbräunergetönte Sommerbeine unterm Minirock sind die wenigen äußeren Merkmale, die uns mitgeteilt werden.
Trotz seiner Stille und Ernsthaftigkeit ist dies kein melancholisches Buch. Dot ist ein sinnliches, empfindsames, tief beeindruckbares Wesen mit der Kraft, die einschneidende Veränderung zu ver­arbeiten. Und sich einer neuen Begegnung zu öffnen. Mit einem Selbstvertrauen und einer Freiheit, die Jugendlichen gefallen wird.


Berührend und still erzählt Bredsdorff vom Erleben, Erinnern und Erhoffen eines Mädchens, das empfindsam und dennoch kraftvoll die einschneidenden Veränderung zu meistern vermag.