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Michaela Holzinger

Nr 152 | August 2012

Zwischen Schweinegegrunze und Schmetterlingsgefühlen

Als ich die Geschichte von Hannah, die auf einem Bauernhof lebt, aufgeschrieben habe, war ich selbst überrascht, welche Fetzen der Erinnerung plötzlich auf mich einströmten. Ich bin zwar auch in einer Landwirtschaft groß geworden, doch hätte ich mir damals als Kind nicht im Geringsten ausmalen können, dass meine Erfahrungen im Umgang mit Tieren und mit der Arbeit auf dem Hof später für mich und meine Geschichte «nützlich» sein würden.
So ist es verblüffend gewesen, welche Dinge in meinem Kopf – irgendwo vergraben, eingelagert und scheinbar längst vergessen – plötzlich wieder präsent wurden und der Hauptfigur Hannah die nötige Authentizität verliehen.
Denn das war mir wichtig – die Echtheit. Obwohl … nicht jede Geschichte, die ich schreibe, muss sich real anfühlen. Es darf auch fantasiert und ausgedacht werden. Ich glaube, auch aus diesem Grund habe ich mich für das Autorendasein entschieden. Doch bei Funkensommer bin ich nicht ins Fantastische gewandert, obwohl dieser Roman auch mystische Züge beinhaltet. Der Hauptstrang erzählt von einem Mädchen, das lernt, seinen eigenen Weg zu finden – und diesen auch zu gehen. Eine typische Jugendromanidee eigentlich. Doch der Rahmen, den die Geschichte hat, gibt dem Buch etwas Spezielles, auf das ich nur durch Zufall gestoßen bin: Denn vor einigen Jahren las ich von einem Schreibwettbewerb, in dem Autoren dazu aufgefordert wurden, Kurzgeschichten für Jugend­liche zu verfassen, die sich mit der realitätsnahen Darstellung der heutigen Landwirtschaft auseinandersetzen. Eine gute Sache, fand ich, und so machte ich mit. Immerhin wird in vielen Kinder­büchern das Land­leben oft zu romantisch dargestellt. Wie es wirklich ist – das Land­leben – das Überleben auf einem Bauernhof, steht kaum darin. Also schrieb ich eine Kurzgeschichte, schonungslos erzählend … und belegte damit beim Wettbewerb den zweiten Platz. Erst danach fing ich an, Hannahs Geschichte als Ganzes einzufangen und aufzuschreiben, bis die Idee zu einem Roman heranwuchs. Viele Dinge darin sind frei erfunden, aber auch sehr viele Dinge echt. Wie die Erinnerung an unsere Zuchtschweine von zu Hause.
Damals waren auf dem Land die Asphaltstraßen noch nicht so verbreitet und es gab viel weniger Verkehr. Also war es kein Problem, die Muttersäue, wenn sie Milchfieber hatten, einen Tag frei laufen zu lassen. Mein Elternhaus war weit weg vom Rest der Welt. Nur Felder und Wälder nannten wir unsere Nachbarn, und so war es auch kein Problem, wenn die Muttersäue mit ihren Rüsseln in der Erde zu wühlen anfingen, sich in einer Lehmgrube suhlten oder genüsslich an den Steinen lutschten. Wenn abends das Milchfieber gesunken war (was meist nach diesem «Seelenbummel­ausflug» geschah), konnten die Säue wieder zurück in den Stall zu ihren Jungen. Ich glaube, diese frei laufenden Schweine rund um unser Haus faszinierten mich sehr. Noch heute höre ich ihr tiefes, voluminöses Grunzen. Denn während Ferkel Grr-Grr machen, machen Mutterschweine das Ganze eine Tonlage tiefer, nämlich: Grro-Grro. Was sie danach an «Sauwirtschaft» rund ums Haus hinterließen, war allerdings alles andere als romantisch.
Ja, solche und viele andere Dinge erlebt Hannah in meiner Ge­schichte. Auch die erste große Liebe! Zwischen Schweine­gegrunze und Schmetterlingsgefühlen – so wird aus einem ganz normalen Sommer ein richtiger Funkensommer …