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Ulf Stark

Was wir uns wünschen

Nr 204 | Dezember 2016

gelesen von Simone Lambert

Es ist Weihnachtszeit im Schweden der vierziger Jahre. Kriegswinter, sehr kalt. Auch Freds Vater ist abkommandiert, die Grenzen des neutralen Landes zu bewachen. Nichts wünscht sich der Elfjährige sehnlicher, als dass sein Vater Weihnachten nach Hause kommt. Nach Hause, das ist bei Fred und seiner Mutter, die nun als Straßenbahnschaffnerin arbeitet, um sich und den Sohn durchzubringen. Denn der Krieg bringt Not und Hunger mit sich. Und die Aussicht auf Weihnachtsgeschenke ist gering.
Aber «es gibt wichtigere Dinge», darin sind sich Fred und sein bester Freund Oskar einig. Und außerdem wissen sie, dass «alles … von höheren Mächten bestimmt» wird, wie Freds Vater es formuliert, der durch die Lüftungsklappe in der Kleiderkammer mit seinem Sohn spricht – jedenfalls ist Fred davon überzeugt. Auf diesem Weg vertraut er seinem fernen Vater ein Geheimnis an: dass er sich in Elsa aus seiner Klasse verliebt hat, das näselnde Mädchen mit den starken Armmuskeln und den elektrischen Haaren. Es ist nicht so einfach, ihr seine Gefühle zu zeigen und das Mädchen froh zu machen, von dessen Gegenwart ihm so warm wird. Fred erlebt, dass die Liebe tollpatschig macht und wortleer. Aber auch mutig, und das bringt ihn weiter …
Dem Schulskelett ein Hitlerbärtchen aufzukleben, ist natürlich verboten, aber genau das, was alle in dieser angespannten Lage der Kriegsbedrohung zum Lachen bringt – bis auf den Rektor, der die zwiespältige Position des Landes gegenüber dem ver­hassten «Vierer» repräsentiert. Das trägt Fred zwar eine Verwarnung ein, aber auch den Stolz der Mutter. Haltung ist wichtig: Die Kraft, die sie vermittelt, versüßt Mutter und Sohn das Essen.
Fred ist ein smarter kleiner Junge, der das Herz auf dem rechten Fleck trägt. Er versteht die Menschen recht gut und weiß, sie zu nehmen. Zum Beispiel den Nachbarn Tannmeier, dem er beim Weihnachtsbaumverkauf hilft. Fred hat erkannt, dass er mit ihm über fast alles reden kann, «aber es musste immer wie ein Witz klingen.» Oder die schöne Dame, der er galant den Tannenbaum nach Hause trägt und die ihn großzügig entlohnt. Fred träumt, sie ist eine Fee. Und tatsächlich gehen ein paar Wünsche in Erfüllung, als Mutter und Sohn am Heiligabend einen lauten Knall im Hof hören …

Diese leichthändig verfasste Geschichte mit ihrem eigenen Swing zwischen Magie und nackter Realität ist «ein kleines Buch über die Liebe», wie der Titel der schwedischen Originalausgabe lautet. Da sind nicht nur die Eltern, die es noch immer lieben, mit­einander cheek to cheek in den heaven zu tanzen. Nicht nur Freds aufsteigende Gefühle für die energische Elsa, die ihm zu Weihnachten einen Taschenspiegel schenkt: «Wenn du da reinguckst, siehst du einen, den ich gern hab.» Sondern auch die Lehrerin, die ihre Schüler schützt und unterstützt, Oskar, der beste Freund, der wortlos versteht, und natürlich die Liebe zwischen Vater und Sohn, die im Leser ein sattes Gefühl von Glück hinterlassen.
Der leise Witz in den Bildern von Lina Bodén entspricht der Kunst Ulf Starks, mit wenigen Worten eine komplexe Situation zu schildern. Die charmanten Illustrationen zeigen eine geordnete, sanft schattierte Welt, in der selbst der Kaminrauch noch Ornamente bildet und der Mond ein Emmentaler Käse ist. Ein Buch, das ich nicht mehr missen möchte, schon gar nicht zu Weihnachten!