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Cristina Cevales-Labonde

Die vier Säulen meines Lebens

Nr 217 | Januar 2018

Vier Säulen finde ich für mein Leben besonders erfüllend: Menschen, Natur, Musik und Sprache.
Die Interaktion und die Beschäftigung, zusammen mit anderen Menschen, die Arbeit an einer gemeinsamen Aufgabe, die sinnvoll erscheint: das ist das Wichtigste. Auch beim Gestalten und kreativen Tun geht es schließlich nicht um einen sportlichen Alleingang, sondern um das gemeinsame Schaffen und die Freude am Zusammensein und am Erleben.
Die Natur ist für mich eine sanfte, aber beständige Säule. Sie trägt mich wie eine erfüllte Liebe ohne Worte. Das tiefe Gefühl von Geborgenheit, die Klänge und Nuancen durch die Jahreszeiten hindurch wirken wie eine stille Übereinstimmung zwischen ihr und mir. Den Austausch und den Umgang mit der Natur empfinde ich daher als etwas sehr Kostbares, und ich fühle mich in ihr von unsichtbaren Kräften geborgen und nie einsam. Auch in meiner Arbeit mit Kindern bestätigt sich dies. Ich erlebe dabei oft die heilende Wirkung von Naturerlebnissen und merke, wie wichtig es ist, auf Kleinigkeiten zu achten und das Schöne und das Gemüthafte zu pflegen.
In der Musik finde ich den hörbaren Atem der Seele. Klänge, Melodien und Rhythmen begleiten uns durch das Leben und können eine Brücke von der äußeren Welt in unser Inneres sein.
Die Sprache ist schließlich etwas ganz Besonderes. Wörter wie z. B. «zugeflogen», «beeindruckt», «Übermut», «Augenschmaus» und viele, viele mehr sind doch sehr faszinierend … Sprache schafft durch den Ausdruck Klarheit und prägt durch die Resonanz ihrer Wörter immer auch das mit, was uns während des Sprechens oder in der Zeit, bevor wir es festgehalten haben, eher diffus umgetrieben hat. Was wir geschrieben oder gesagt und dadurch in Sprache gefasst haben, wird für uns konkreter.
Zwischen diesen vier Säulen sind meine Bücher entstanden – ehrlicherweise zunächst nicht am konkreten Schreibtisch, sondern am großen runden Küchentisch. Mal waren es einfach nur Glücksgefühle oder die Begeisterung für eine neue Idee, die mich motiviert haben. Schreibimpulse wachsen oft auch aus einer Stimmung der Geborgenheit, der Entspannung, dem Gefühl des Freiseins; dann fließen die Worte wie ein Wasser.
Beim Schreiben versuche ich, mich den Dingen erst einmal von oben, aus der Vogelperspektive, zu nähern. Die Arbeit am Text wird dann immer wieder praktisch durch Experimentieren und Ausprobieren der Ideen ergänzt, weil es für mich wichtig ist, dass alles Beschriebene am Ende wirklich funktioniert. Die Ideen muss ich erst fühlen und prüfen, sie sind mit Improvisationen und Chaos verbunden – bis sie konkretisiert und ausgetüftelt sind und ich sie schließlich aufschreiben kann.
So erlebe ich die Arbeit an meinen Büchern als sehr lebendig, und jedes einzelne ist das Ergebnis einer immer auch bereichernden und erfüllten Zeit, in der ich viel Begeisterung entwickle. Dann sprudeln Farben, Absätze, Textteile … Und ich brauche plötzlich weniger Schlaf, entdecke neue Klänge und sehe Dinge, als hätte ich sie zum ersten Mal bewusst wahrgenommen.
Für den letzten Schliff suche ich be­sondere, ruhige Tage und die Stille, um mich zu konzentrieren. Sind die Texte dann strukturiert, brauche ich auch die Meinung und den anderen Blickwinkel der mir nahen Menschen, damit ich über meine eigene Einseitigkeit hinausblicken kann. Auch wenn ich nur «Bastelbücher» schreibe, liebe ich das Miteinander und das Gefühl der Verbundenheit um einer Idee willen. Doch am schönsten wäre es, wenn einige meiner Anregungen andere Menschen zu etwas Eigenem und Individuellem beflügeln – das hoffe ich.

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