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Maja Lunde

Battle

Nr 220 | April 2018

gelesen von Simone Lambert

Amelie wird aus ihrem Wohlstandsleben herauskatapultiert, als ihr Vater Konkurs anmelden muss und alles, was er besitzt, von der Gerichtsvollzieherin konfisziert wird: Das große Haus, der Pool, ihr Übungsraum, ihre Kleidung, Taschengeld – das alles sind die Dinge, auf die die Siebzehnjährige nun verzichten muss. Der soziale Absturz bringt sie nach Stovner, eine Trabantenstadt vor den Toren Oslos. In den dortigen Plattenbauten beziehen sie und ihr Vater eine schmuddelige kleine Wohnung. In dieser fremden Welt, unter Migranten und Sozialhilfeempfängern, soll sie zukünftig leben. Bislang Teil einer Clique von Kids mit reichen Eltern, wechselt Amelie auf dramatische Weise die Perspektive.
In dieser Schocksituation entfernt sie sich von ihrem Vater, der sich nach seiner Niederlage gehenlässt und der Tochter ebenso ausweicht wie sie ihm. Was dem Mädchen bleibt, ist das Tanzen. Auf dem renommierten Tanzgymnasium ist Amelie zwar die begabteste Schülerin, steht aber als zu technisch in der Kritik ihrer Lehrerin.
In Stovner trifft sie auf eine Gruppe von Breakdancern. Amelie ist Außenseiterin, doch Mikael, ein Migrantenkind aus dem Iran, ein geborener Tänzer, begegnet ihr unvoreingenommen. Die beiden beginnen, mitein­ander für ein Battle zu trainieren; ihre Tanz- ­richtungen verschmelzen. Amelie ermutigt Mikael, an einem Tanzcasting für ein Musical teilzunehmen, West Side Story.
Doch Amelie verschweigt und verschleiert ihre neue Armut, den Schock der Enteignung und das neue Lebensumfeld vor ihrer Clique und ihrem Freund Axel. Sie ist zerrissen. Ihre Gefühle für Mikael, das Erlebnis der ersten Liebe und der Verlust der alten Vorteile sind gleichzeitig beglückend, beunruhigend und beschämend. Sie begeht Fehler. Einzig ihre beste Freundin Ida durchschaut die Situation und hält zu Amelie, selbst als diese sie enttäuscht.
Und mehr noch: die unterschiedliche Herkunft steht zwischen Amelie und Mikael. Amelie weicht ihm aus, als sie sich eingestehen muss, dass sie den Spagat zwischen ihrem alten und dem neuen Leben nicht bewältigt und das Ansehen ihrer Freunde nicht verlieren will. «Solche wie du kommen nie mit solchen wie mir zusammen», sagt Mikael bitter und wendet sich ab. Die Situation eskaliert und Amelie versteht, dass sie sich zu ihrem neuen Leben und ihren wahren Gefühlen bekennen muss. Sie lädt ihre Freunde zum Tanzbattle nach Stovner ein …

Maja Lunde, die mit Die Geschichte der Bienen einen Welterfolg landete, ist eigentlich Drehbuchschreiberin – eine Erfahrung, die man dem vorliegenden Jugendroman anmerkt, der in Norwegen nun auch verfilmt wird. Ihre szenisch betonte Dramaturgie entwirft starke Bilder und die Beschreibungen der Tänze und des Trainings sind mitreißend.
Battle erzählt nicht, wie in der West Side Story oder bei Romeo und Julia, von ver­feindeten Familien, aber von sozialen Schichten, die voneinander streng getrennt leben, und von jugendlichen Identitätskonflikten. Und die Autorin erzählt von einer ersten Liebe, die extreme Gegensätze meistern muss: Reichtum und Armut, Lüge und Wahrheit, Ausgrenzung und Integration - all das trifft sich schließlich im Tanzwett­bewerb. Amelie lernt aufrichtig zu sein und kommt damit nicht nur der Liebe näher, sondern auch sich selbst und ihrer künst­lerischen Kraft. Eine Sommerromanze mit einem ergreifenden Ende.