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Monika Kiel-Hinrichsen

Familie im Fokus IV

Nr 220 | April 2018

Erziehungspartnerschaften

Jonas kommt aufgeregt aus der Schule. Wie immer fährt er mit seiner Zunge in die großen Zahnlücken, bevor er seiner Mutter vom Vorfall mit seiner Lehrerin erzählen kann. Jonas ist jetzt in der dritten Klasse, in die auch sein bester Freund Achmed geht. Die beiden haben sich in der Pause vom Schulhof entfernt, um mit dem im Gebüsch versteckten Kescher Kaulquappen im nahen Weiher zu fangen. Dabei haben sie die Zeit vergessen und den Klingelton auch gar nicht gehört, wie Jonas beteuert.
In der Klasse herrschte inzwischen große Aufregung. Ihre Lehrerin hatte bereits nach Achmed und Jonas suchen lassen, als die beiden zwar mit schlechten Gewissen, aber auch stolz mit der Plastiktüte voll Wasser und zahlreichen Kaulquappen darin ins Klassenzimmer kamen. Aber den tollen Fang sah Frau Stark in ihrer Aufregung gar nicht. «Wie könnt ihr einfach das Schulgelände verlassen und viel zu spät wiederkommen?», schimpfte sie mit hochrotem Kopf. «Ich habe mir Sorgen gemacht und werde eure Eltern darüber informieren. Außerdem müsst ihr eine Extraaufgabe zu Hause erledigen.» Zu Jonas gewandt sagte sie dann noch: «Ich bedaure es auch, dass deine Eltern schon zweimal nicht zum Elternabend gekommen sind. Dort habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihr nicht zum Weiher gehen dürft. Kein Wunder also, dass du solche Dinge tust!» Frau Stark merkt, dass sie damit zu weit gegangen ist, aber nun kann sie es nicht mehr rückgängig machen. Jonas schaut sie verunsichert und auch ein bisschen wütend an. Sie soll nichts Schlechtes über seine Eltern sagen. Und peinlich ist es ihm vor den anderen auch.
Als zu Hause nun alles nur so aus Jonas heraussprudelt, laufen ihm Wuttränen über die Wangen. Er fühlt sich hin- und hergerissen zwischen seinen Eltern und Frau Stark, die er eigentlich sehr mag. Warum sind seine Eltern schon wieder nicht auf dem Elternabend gewesen? Dann wäre er bestimmt nicht zum Weiher gegangen. Jetzt ist alles doppelt peinlich für ihn geworden. Jonas’ Mutter steht betroffen vor ihm und legt tröstend die Hand auf seine Schulter. «Ach Jonas, das tut mir so leid! Papa und ich hatten beide Male andere Termine und waren deshalb nicht auf den Elternabenden.» Es tut Jonas schon mal gut, dass Mama es nicht leugnet. Er kann nun sogar Frau Stark ein wenig verstehen. Er fühlt sich ein bisschen wie sonst, wenn Mama und Papa sich nicht einig sind.
Am Abend telefonieren Frau Stark und Jonas’ Mutter miteinander. Das Gespräch verläuft nach anfänglicher Spannung konstruktiv, denn beiden ist klar, wie wichtig der Austausch miteinander ist. Er gehört zu den wesentlichen Säulen einer tragfähigen Erziehungspartnerschaft. Die Brücke dahin bilden die Elternabende, um als Eltern gut informiert zu sein und die Schritte, die der Lehrer geht, zu Hause mittragen zu können, aber auch um die Besonderheiten im Alltag des Kindes miteinander zu teilen.
Darüber hinaus bieten Einzelgespräche die Gelegenheit, näher auf die familiäre Situation und die Entwicklung des Kindes einzugehen, um so aus der «Erziehungspartnerschaft» heraus das Beste für das Kind zu entwickeln. Auf diese Weise spannt sich ein tragfähiges Beziehungsnetz unter allen Be­teiligten. Denn anders als früher findet heute meist – sei es in der Kita oder in der Schule – ein Austausch auf Augenhöhe und unter Einbeziehung der elterlichen Kompetenzen statt. Ein partnerschaftliches Verhalten in diesem Sinne schützt die Kinder vor Instrumentalisierung und lässt sie Vertrauen und Sicherheit erfahren. Das braucht seine Zeit und eine gewisse Kontinuität – mit dem Besuch eines Schulfestes ist es da nicht getan. Aber aus einer Kaulquappe wird ja über Nacht auch kein Frosch …