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James Welch

Nr 135 | März 2011

Auf den Schwingen seiner Ahnen

Bevor der Native American Autor (vom Stamm der Blackfeet) für seinen Roman «Fools Crow», der 1986 zuerst in den USA erschien, den «Los Angeles Times Book Prize», den «American Book Award» und den «Pacific Northwest Booksellers Award» erhielt, hatte er sich als junger Student der amerikanischen Literatur zunächst mit Gedichten versucht, einen Namen zu machen.

Welch kam 1940 in Browning in Montana zur Welt als Sohn eines Blackfeet-Vaters und einer Gros-Ventre-Mutter. Sein Lehrer beim Studium an der University of Montana war der amerikanische Dichter Richard Hugo, der ihm den entscheidenden Hinweis gab, dass er für die zunächst ziellose Art seiner ersten Gedichte einen Inhalt, nämlich seinen eigenen Lebenshintergrund, das Leben der Blackfeet-Indianer wählen sollte. Zu Beginn der 60er-Jahre ging dieser Umschwung in Welchs Lebenslauf einher mit dem neu erwachenden Selbstbewusstsein der Native Americans.
Welchs erster Gedichtband erschien 1971 unter dem Titel Riding the Earthboy 40. Mit der 40 waren die 40 Hektar Land der Familie der Earthboys gemeint, um die es in dem Gedichtzyklus ging. Die Dichtung lag Welch zunächst näher, weil sie den Rhythmus der Musik der Native Americans aufgreifen konnte. So schrieb er die ersten Jahre seiner schriftstellerischen Karriere ausschließlich Gedichte.
Bekannt wurde Welch aber erst durch seine Romane. 1974 erschien sein Erstling Winter in the blood, 1979 The death of Jim Looney und 1986 dann Fools Crow, der 2001 erstmals auf Deutsch erschien und der 2011 nun in einer Neuausgabe wieder lieferbar ist.
Hatte Welch zunächst vermutet, dass sich niemand für das Leben der nordamerikanischen Ureinwohner interessieren würde, so zeigte sich recht bald, dass dem nicht so war. Er sah sich als Teil jener «Native American Renaissance», die sich in den 70er Jahren auf den Weg machte, ihr Heimatland, aus dem sie in das Land der Reservate und der Armut, der Depression und des Alkohols, vertrieben worden waren, zurückzuerobern. Zusammen mit Autoren wie Luise Erdrich und Sherman Alexie öffnete er das Bewusstsein der übrigen Nordamerikaner für den verdrängten Teil ihrer gemeinsamen Geschichte, die Geschichte eines Genozids.
In Fools Crow erzählt Welch die Geschichte seiner Vorfahren. Es ist die Jugendgeschichte von «White Man’s Dog», der sich zum Medizinmann und Häuptling seines Stammes entwickelt. Nie zuvor hat man so detaillierte Beschreibungen der Initiationsrituale, wie sie die Blackfeet bis zu ihrer Vertreibung in die Reservate geübt haben, gelesen. Eindringlich sind vor allem die Träume, die der Held, der durch seine erste Prüfung – einen Überfall auf die Crow-Indianer – den Namen «Fools Crow» erhält, immer wieder träumt. Prophetische Träume, durch die er zum Führer und zum Beschützer seines Stammes vor den immer weiter vordringenden weißen Amerikanern wird. Besonders bewegend sind auch die Beschreibungen des «Sundance-Rituals», durch die man sich wie sonst nirgends in der Literatur in die Bewusstseinszustände der Initiierten hineinversetzen kann.
Höhepunkt dieses Meisterwerks von James Welch ist eine gerade­zu apokalyptische Traumvision Fools Crows, durch die es ihm zwar nicht gelingt, den Untergang seines Volkes ab­zuwenden, dennoch aber dafür zu sorgen, dass die Tradition der Blackfeet weiterleben kann.

Diesen Beitrag über James Welch schrieb Andreas Neider.