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Victoria Miles

Mimi macht’s möglich

Nr 179 | November 2014

gelesen von Simone Lambert

Diese charmante Familiengeschichte wird erzählt aus der Sicht der älteren Schwester. In 30 kurzen Episoden berichtet die neunjährige Mimi Macht vom Familienleben mit der kleinen Heini, die regelmäßig aus der Fassung gerät und Dinge «’leine machen» will.
Mimis Familie weiß, was es heißt, unter der Tyrannei einer Dreijährigen zu leben: Heini wirft sich auf den Boden und schreit wegen zerquetschter Vitamingummis oder weil Hasi Hoppela, Schmusetierfavorit und unverzichtbares Einschlafutensil, verschwunden ist. Heinis Ausfälle sind ohrenbetäubend, nervenzer­fetzend, zeitraubend und dulden keine Kompromisse. Wenn Heini Mimis Bohnenexperiment scheitern lässt, weil sie die Keime vorzeitig aus der Erde pult, wenn sie das urzeitliche Wurm-Fossil, das Papa mitbringt, als «Fussel-Aa» in der Toilette versenkt, wenn sie Omas ungeliebten Bohnensalat in ihrem Barbie-Schloss versteckt, dann liest sich das komisch. Doch die geschilderten Erlebnisse sind nicht nur eine Aneinanderreihung von Anekdoten, sie leben vor allem von Mimis Sicht der Dinge.
Mimi ist eine sympathische, einsichtige und leidenserprobte Heldin, die sich ihren Herausforderungen stellt: zum Beispiel Schwimmen lernen, das eigenwillige Hirn von Heini vorausberechnen und Kunst machen. Mimi sieht sich als Künstlerin. In diesem Familien­chaos Raum für Kreativität zu finden, wird für sie, die vor der kleinen Schwester genervt zurückstecken muss, allerdings immer schwieriger. Aber als die Kunst-Nacht in ihrer Schule veranstaltet und ein Preis ausgeschrieben wird, der zu gut ist, um aufzugeben, hat Mimi eine Idee. Matisse inspiriert sie, sein Scherenzeichnen und sein «je ne sais quoi».
Victoria Miles beschreibt Mimis kristallklaren kreativen Prozess als beglückende Erfahrung. Es ist dieses gewisse Etwas, das Mimi sucht und das ihr eigenes Leben ausmacht. Für sie geht es darum, sich abzugrenzen und ihren Interessen Raum zu verschaffen. Die größte Krise muss sie jedoch meistern, als auch Heini ihren Beitrag zum Kunstwerk leistet … Mimi wird in ihre Große-Schwester-Kraft gehen, um ihr kleines Stück Himmel (wieder) zu finden.
Mimi macht’s möglich wirft einen vergnügten, nachsichtigen und gefühlsstarken Blick auf all die Prüfungen und Beschwerlichkeiten, die das Leben mit einem Kleinkind so mit sich bringt. Zwar kostet es die Großen einiges; sie fühlen aber gegenseitig mit ihren Ver­lusten und Einschränkungen mit. Die Zuverlässigkeit der Er­wachsenen verhindert, dass Mimi Eifersucht empfindet. Und Mimis Persönlichkeit ist immer wieder zum Spagat bereit, die unkontrollierbaren Veränderungen, die von Heini ausgehen, zu verarbeiten und Kraft daraus zu entwickeln. «Mach das Beste aus Mist, schubidu», singt der Vater – und Mimi nennt sein Lied den Titelsong der Familie Macht.
Tatsächlich ist dieses Motto das Geheimnis der stabilen Familien­verhältnisse. Und genau dieses Wechselspiel ist es auch, das die Lektüre zu einem großen Spaß macht.
Mimi macht’s möglich ist das erste Buch der versierten kanadischen Autorin Victoria Miles, das ins Deutsche übertragen wurde. Hoffen wir, dass es nicht das letzte ist.

Kleine Schwestern können ganz schön nerven und das Familienleben auf den Kopf stellen – dann braucht man Kraft, Liebe und eine ordentliche Portion Fantasie!