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Claudia Burmeister

Weglassen und erfinden

Nr 189 | September 2015

Millionen von Farbspritzern und Rändern aus Farbe vor mir – wie eine unfertige Landkarte zieren sie die dicke Holzplatte. «Ist das Kunst oder kann das weg?» Diese Frage stellt sich jemand, der den Zufall liebt, ihn erwartet wie einen unangekündigten Besucher, der Neues zu erzählen weiß – von der Welt der Farben und fabulanten Wesen ... Als Kind sammelte ich Kaulquappen, geordnet nach Größe in unzähligen Gläsern. Stunden konnte ich damit verbringen. Heute verbringe ich nicht mehr den halben Tag mit dem Hintern im Wasser, sondern drucke, male und zeichne täglich. Die dabei entstandenen Schnipsel, auf denen sich die Farbreste wie geheime Botschaften verteilen, haben es mir angetan. Ich kann sie einfach nicht wegwerfen. Ich mag die gedruckten Strukturen, Linien und Ränder von Übermalungen. Sie sind die Reste, die während eines Arbeitsprozesses entstehen und können doch manchmal so an Gewicht gewinnen und Anlass sein, ein ganzes Bild zu überdenken.
Ich finde es spannend und sehr wichtig, bei meiner Arbeit nicht ganz festgelegt zu sein. Ich möchte, dass man beim Betrachten noch den Schaffensprozess erahnen kann, so als hätte die Illustratorin gerade das Blatt verlassen. Das vermittelt Lebendigkeit und eine Leichtigkeit. Deshalb ist bei mir wohl auch alles Handarbeit. Das von Hand Gedruckte ist ein wichtiges Element in meinen Arbeiten. Darin liegt etwas Zufälliges. Hinzu kommen die Linie und die gemalte Fläche. Ich mixe bedingungslos verschiedene Stile: Aquarell und Buntstift mit Acryl und Collageelemente aus selbstgedruckten Strukturen.
Ich habe im Jugendalter angefangen, unregelmäßig Tagebuch zu schreiben. Auch hier sammle ich Schnipsel, lose Gedankenketten, die mir einfallen. Ich habe versucht, mein Schnipseltagebuch zu illus­trieren, wenn ich sie schon nicht in eine Geschichte fassen kann. Und so fügt es sich wieder zusammen: Ich bin nach einigen beruflichen Umwegen eine Illustratorin geworden, die weg­lassen darf und Neues erfinden kann. Das Schreiben überlasse ich denen, die es wirklich können.
Es hat ein Weilchen gedauert, aber jetzt übe ich meinen Traumberuf aus. Schon als Kind habe ich mir das ge­wünscht, und schon damals erhielt ich kleine «Aufträge» von Kindern, ihnen etwas zu zeichnen, z.B. Duplikate von seltenen Aufklebern aus dem Westen!
Mein erstes Buch* ist nun erschienen – und ich wünsche mir, dass es noch viele, viele Bücher mehr werden ...

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