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Manischa Eichwalder

Klangbrücken zwischen den Kulturen

Nr 185 | Mai 2015

Der Granatapfel, den die Sängerin des AVRAM-Ensembles als Symbol der Verständigung wählte und der das Cover der neuen CD All in one schmückt, steht für Vielfalt in der Einheit und wurde seit der Antike von Juden, Christen, Muslimen und Buddhisten als heilige Frucht verehrt.
All in one lässt den Zuhörer in eine facettenreiche Musik eintauchen, in der sich Klassik, Jazz, Klezmer und Weltmusik gewandt miteinander verbinden. Sie ist nicht nur ein musikalischer Genuss, sondern ebenso ein klingendes Beispiel dafür, dass Friedens­fähigkeit zwischen den verschiedenen Kulturen erlernbar ist!
Das interkulturelle Ensemble schloss sich im Rahmen der Kulturhauptstadt RUHR.2010 um die persisch-deutsche Sängerin Schirin Partowi (als Stimme vielen u.a. bekannt durch die Solo-Sequenzen in der Filmmusik von Ingo Ludwig Frenzel im Film Der Medicus) zusammen und entwickelt seitdem virtuos und experimentier­freudig einen unverkennbar neuen Stil.
«Es kann in unserer multikulturellen Gesellschaft im Hin­blick auf eine lebenswerte Zukunft nur darum gehen, das andere in seiner Verschiedenheit und seiner Vielfalt anzuerkennen, das Gemein­same, den wechselseitigen Einfluss zu erkennen und daraus ein tiefer gehendes Verständnis füreinander zu entwickeln.» So formuliert die Sängerin das Leitmotiv des Ensembles.
Daraus entsteht eine faszinierende Musik der Begegnung und Ver­schmelzung von jüdischer, christlicher und islamischer Tradition, bis hin zu ganz neuen Klängen, in der sich östliche und westliche, alte und neue Klangwelten einfühlsam aufeinander zu bewegen. Grund­lage dieser Musik sind Texte der Mystik, Theologie und Philosophie aus Orient und Okzident, die den Kerngedanken der Gottessuche in innerem Frieden transportieren.
Schirin Partowi singt in über zehn Sprachen, wobei sowohl die agnostische Philosophin Simone Weil zu Wort kommt wie auch die leidenschaftlichen Gottessucher Rumi, Hildegard von Bingen und andere. Das Hohelied der Liebe von König Salomo, aus dem hier erstmals in hebräischer und arabischer Sprache ge­sungen wird, beantwortet eine Händel-Arie, in der die arabische Königin von Saba die Weisheit des jüdischen Herrschers und seine Religion besingt.
Den Musikern ist es eine Herzensangelegenheit, in einer heutigen Zeit der religiös motivierten politischen Unruhen ein Statement gegen Extremismus zu setzen und einen Weg des Friedens in gegenseitigem Kennen- und Schätzenlernen zu formulieren. «In den Konzerten geschieht das durch die Begegnung der Klangkulturen», sagt Partowi. «In der Musik entwickelt sich ein Dialog über die sprachliche Dimension hinaus, der sich unmittelbar auf die Zuhörer überträgt.» – «Meine Religion ist ‹richtig›, deine ‹falsch›, so etwas brauchen wir nicht. Das führt zu nichts», ergänzt Rhani Krija (Percussion), der neben Auftritten mit AVRAM auch an Stings Seite unterwegs ist.
Bei der Eröffnung des Festivals Ankunft: Neue Musik im Berliner Hauptbahnhof bewiesen die Musiker erneut, dass auch ihre Konzerte als ein Symbol der Verständigung funktionieren. Eine Verständigung, die in jedem Zusammenspiel neu entsteht. «Gute Musik ist immer auch eine Art soziales Spiel. Aufeinander zugehen, zuhören, ins Gespräch kommen, Austausch, Bereicherung …»
All in one heißt die neue Friedensbotschaft AVRAMs, in der sich klassische und orientalische Klänge, jazzige Songs und traditionelle sowie moderne spirituelle Texte in einer faszinierenden, meditativen wie auch temperamentvollen Musik frei begegnen.

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