Als Eintrag für den 15. Juli, den Geburtstag des Literaturhistorikers und Philosophen Walter Benjamin, steht im Jüdischen Kalender des Ölbaum Verlages für das Jahr Fünftausendsiebenhundertvierundsiebzig, vom 5. September 2013 bis 24. September 2014, folgender kostbarer Fund aus Benjamins Berliner Kindheit um 1900:
«Erzählen ist ja nicht nur eine Kunst, es ist vielmehr noch eine Würde, wenn nicht wie im Orient ein Amt. Es mündet in eine Weisheit, wie umgekehrt Weisheit oft als Erzählung sich beweist. Der Erzähler ist also immer auch einer, der Rat weiß. Und um den zu bekommen, muss man selber ihm erzählen. Wir aber wissen von unseren Sorgen nur zu stöhnen, zu jammern, nicht zu erzählen.»
Womöglich ohne Kenntnis dieses Zitats, jedoch in der Sache in logischer Übereinstimmung damit, haben der heutige Aufforderer zum Selbstdenken, der Sozialwissenschaftler Harald Welzer, und sein Kollege Stephan Rammler in ihrem Futurzwei-Zukunftsalmanach «Geschichten vom guten Umgang mit der Welt» gesammelt. Denn eine Geschichte mag uns zuweilen nachhaltiger zu einer Änderung unserer Anschauungen über die Welt und was ihr nottut anregen als ein bloßes Argument.
Ein Land, in dem die Kunst des Erzählens von jeher gepflegt und gewürdigt wurde, ist Wales.
Und wie unsere Gegenwart mit den mythologischen Bildern und Ereignissen der Vergangenheit unzertrennlich verwoben ist, hat Alan Garner in seinem walisischen Roman Eulenzauber auf magisch-unheimliche Weise erzählt.
Mögen wir zuhörend wie lesend für die wichtigen Geschichten einer für Vergangenheit und Zukunft durchlässigen Zeit in der Gegenwart immerzu empfänglich bleiben!
Von Herzen grüßt Sie, Ihr
Jean-Claude Lin