Lieber Frank Berger
Das sind die letzten Worte, die du für a tempo schriebst, lieber Frank. Mit ihnen endeten die Ausführungen deines Editorials für die Dezember-Ausgabe unseres Lebensmagazins im Jahr 2012. Du blicktest in die Geschichte, auf die Zisterziensermönche, die im Mittelalter an schwierigen, unwirtlichen Orten doch Zentren blühender Kultur erschufen – Wasser aus dem Felsen schlugen, Friedensarbeit leisteten. Und du wendetest dann deinen Blick nach dem heutigen Israel und seinen Konflikten. – Die Kriegsschauplätze haben sich seit dem Jahr 2012 erheblich vermehrt. Du selbst hast einen eigenen Kampf zu führen gehabt. Nach deinem schweren Herzinfarkt war gar nicht sicher, ob du den Weg zurück ins Leben wieder finden würdest. Nun wissen wir, dass dieser Weg für dich doch offen blieb, du aber nicht den weiteren Weg zurück zu deinem lieben Verlag und unserem Magazin gehen kannst. So ist das eigene Leben mit dem Schicksal verwoben, das eigene Innere mit dem verflochten, was von außen auf uns zukommt und einstweilen zustößt.
Neunzehn Jahre lang warst du gestaltend und leitend für den Verlag Urachhaus tätig, dreizehn Jahrgänge von a tempo hast du mit herausgegeben – ein Compagnon an meiner Seite, ein Freund aus unseren Jugendjahren bis ins Jahr 1978 zurück, als wir uns erstmalig in den Weihnachtstagen bei der internationalen anthroposophischen Jugendtagung in Kings Langley kennenlernten.
Was Agnes Fink über die Kunst von Margarethe von Trotta sagt, könnte man ohne Wahrheitsverlust auch auf Menschen ummünzen: Menschen sind wie Eisberge. Wir nehmen jeweils nur eine kleine Spitze wahr. Was sie in Wirklichkeit noch sind, bleibt uns vielfach verborgen. Vielleicht fühltest du dich deshalb dem musikalischen Schaffen Gustav Mahlers so verbunden, weil er so stark das noch Verborgene in allen Erscheinungen dieser Welt empfand. «Alle Musik muss ein Sehnen enthalten – ein Sehnen über die Dinge dieser Welt hinaus», sagte er. Das war auch eines deiner Leitmotive beim Schreiben deines Buches über den visionären und Mythos schaffenden Gustav Mahler: wie alles Leben ein Sehnen enthalten muss, ein Sehnen über die Spitzen der Eisberge hinaus und hinunter in die verborgenen Tiefen des Lebens – dort, wo Innen und Außen, Leben und Schicksal eins sind und größer, als wir je in einem Augenblick sein können, ohne uns deshalb fremd zu sein.
Für dein prägendes, initiatives Mitwirken an unseren Büchern und Zeitschriften danken wir von Herzen – es war Musik dabei, wie ein Sehnen über die Dinge dieser Welt hinaus.
Im Namen aller Mitwirkenden hier in den Verlagen Urachhaus und Freies Geistesleben wie sicherlich auch aller unseren lieben Leserinnen und Lesern von a tempo: Fühle dich aufgehoben und geborgen in den Klängen dieser Musik!
Dein Jean-Claude