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Paule de Bouchet

Sing, Luna, sing

Nr 134 | Februar 2011

gelesen von Simone Lambert

Bücher über den Holocaust gibt es inzwischen, auch in der Jugendliteratur, viele. Einige herausragende, wie Lauf, Junge, lauf von Uri Orlev, und Malka Mai von Miriam Pressler, beruhen auf Überlebenszeugnissen. Auch das Buch von Paule de Bouchet, Sing, Luna, sing, das in seinem literarischen Gehalt an diese Vorbilder anknüpft, geht auf Tatsachen zurück. Im Zentrum der Geschichte der belgischen Autorin steht ein junges Mädchen im Warschauer Ghetto.
Luna liebt es zu singen, und ihr musikalischer, freidenkerischer Vater unterstützt sie in dieser Leidenschaft, während ihrer eher strengen Mutter Lunas Neigung zu großen Auftritten und die Vernachlässigung der Schule nicht recht sind.
Hitlers Armee marschiert in Polen ein, 1939, da ist Luna vierzehn, und eine Mauer wird die Warschauer Juden lebendig begraben: Das Warschauer Ghetto entsteht. In kurzer Zeit verelenden seine Bewohner, werden deportiert oder sterben auf den Straßen – an Seuchen, an Hunger, an der Willkür und Gewalt der deutschen Besatzer. Eine endlose Zahl von Kindern wird sterbend aus den Armen ihrer Eltern gerissen oder schlägt sich allein durch. Eine Weile kann Luna für den Familienunterhalt sorgen, indem sie im Café Britannia zur Unterhaltung der Gäste singt – auch deutsche Offiziere sind darunter. Nach und nach muss auch Lunas Familie Verluste erleiden: Die Mutter stirbt an Typhus, die Brüder, die der Vater in Janusz Korczaks Waisenhaus sicher glaubte, werden mit den anderen Heimkindern auf den Transport ins Vernichtungslager geschickt. Lunas Vater wird gezwungen, die Großmutter zum Sammelplatz zu bringen.
In der Grausamkeit des Ghettoalltags gibt Luna nur die Schönheit der Musik die Kraft zu überleben. Und die neuen Freunde im Widerstand, die zur zweiten Familie werden. Hier begegnet Luna echter menschlicher Größe ebenso wie martialischen Herrscher­persönlichkeiten oder Antisemitismus. Trotz all des Grauens gibt es Momente der Lebensfreude; hier wird geliebt und werden Kinder gezeugt. Und es wird gekämpft, der Aufstand wird vorbereitet …
Paule de Bouchet hat umfassend recherchiert und bezeugt ein historisches Faktum; das Buch ist besonders berührend dann, wenn es von authentischen Menschen erzählt: Die Passage über Lunas Begegnung mit Janusz Korczak verströmt eine innere Kraft und Ruhe, die den Terror geradezu verblassen lässt. Der Roman gewinnt seine Lebendigkeit und Überzeugungskraft vor allem aus dem Verlauf der Konflikte, die überraschende Wendungen nehmen, und der Zeichnung der Charaktere, die von Beobachtungs­gabe und Lebensklugheit zeugt. So ist Lunas Freude am Gesang nicht zu trennen von ihrer egozentrischen Sehnsucht nach Ruhm und Liebe. Luna lernt den Lebensernst erst spät, im Ghetto. Doch ihr Eigensinn ist zugleich ein untrüglicher Spürsinn für das Leben.
Packend und auf hohem literarischem Niveau verknüpft Paule de Bouchet das große Drama Holocaust mit einer individuellen Geschichte von Courage, Lebensmut und Hoffnung. Ihr historischer Roman mit seiner tragischen Lovestory wird zu einer Ode an die Freude und die Spiritualität, die der Musik innewohnen.

Lesen Sie hier rein in dieses bewegende Buch!