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Wolfgang Held

Vom Wieviel zum Warum

Nr 136 | April 2011

Das Messen- und Zählenkönnen beantwortet das «Wieviel», hilft die Welt zu ordnen, sie in einem System zu fassen und in ihr zu planen und zu bauen, gibt aber keine Antwort auf das «Warum». Es hilft kaum, die Welt und den in ihr wohnenden Sinn zu verstehen. Der Schweizer Philosoph Karl Barth unterschied zwei Formen des Wissens: Dass man weiß, dass Aluminium die Wärme leitet, aber kaum den Strom, dass man den ATP-Stoffwechsel in der Zelle versteht und die Festigkeit der Metalle zu ordnen weiß, all das ist die Grundlage, um Maschinen, um Medikamente herzustellen. Es ist «Ver­fügungswissen», weil es die Welt und ihren un­er­messlichen Reichtum an Dingen und Wesen verfügbar macht. Dieses Wissen ist das Werkzeug, um den Satz des Alten Testamentes «Macht euch die Erde untertan» in einem Maß auszuschöpfen und dabei zugleich misszuverstehen, wie es keine andere Zeit getan hat. Doch es gibt noch ein anderes Wissen, das zwar auch zählt, aber nicht um der Anzahl willen, sondern um des Wesens willen. Dieses Wissen, das Barth das «Orientierungs­wissen» nennt, schenkt keine Macht, sondern Beziehung, es verleiht keine Dominanz, sondern Teilnahme und immer wieder die Empfindung, mit der jede Philosophie beginnt: Staunen. Man staunt, dass es sieben Weltmeere sind wie auch sieben Farben, Töne und Öffnungen am Kopf, und aus diesem sich wieder­holenden Zahlenphänomen formt sich ein Bild, schält sich Schritt für Schritt der Wesenszug einer Zahl heraus. Das Wesen lässt sich – so ist seine Natur – nicht beweisen, es lässt sich aufspüren.
Für diese Spurensuche kommen in meinen Betrachtungen über die Zahlen 1 bis 31 Mathematik, die Naturwissenschaften, aber auch Kultur und Religion miteinander ins Gespräch.
Es gehört zum Rätsel der Zahlen, dass ihr Wesenszug sich gerade durch den mathematisch-kulturellen Brückenschlag zeigt. So ist die Vollkommenheit der 6 sowohl in der babylonischen Kosmologie und Religion zu finden als auch in der Arithmetik.

Das Datum bestimmt die Grenze
Als ich mit diesen kleinen Monografien zu den Zahlen begann, reichte mein Blick bis zur 12 oder zur 17. Ich wusste, dass der Mensch 24 Rippen besitzt und 28 eine vollkommene Zahl ist, aber gleichwohl befürchtete ich, dass es jenseits der 20 kaum möglich sei, nach der Persönlichkeit der Zahlen zu schürfen. Umso erstaunter und nachdenklicher wurde ich, als sich mir zeigte, dass selbst eine Zahl wie 29 oder 31 ihre Besonderheit besitzt, die sie allen anderen Zahlen gegenüber auszeichnet. Doch wo hört man auf? Natürlich gibt es auch größere interessante Zahlen, die wie Berge aus der Landschaft der Zahlen heraus­ragen, wie 33, die Zahl der Sonne und des Christuslebens, oder die Zahl 257, ein Primzahlvieleck, das sich konstruieren lässt, oder Platons befreundete Zahlen 220 und 284. In diesem Buch bildet der Mensch bzw. die Kalenderrechnung die Grenze. Durch das Geburtstagsdatum hat jeder Mensch eine besondere Be­ziehung zu einer Zahl, und diese Zahlenbeziehungen reichen bis 31.
Die 31 Beschreibungen, die von 1 bis 24 bereits in a tempo erschienen sind, sind Exkursionen in das Reich der Zahlen und ihrem typischen Ort im Naturreich und in der Kultur, um dadurch etwas von Platons Ausruf: «Die Götter geometrisieren» neu verstehen zu lernen.