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Lauren St John

Das Tal der Elefanten

Nr 137 | Mai 2011

gelesen von Simone Lambert

Mit Das Tal der Elefanten setzt die englisch-afrikanische Autorin Lauren St. John ihre Romanreihe um Martines Abenteuer in Afrika fort. Im vierten Band erhebt ein Geschäfts­mann mit einem bislang unbekannten Testament Anspruch auf das Lebenswerk und die Heimat von Gwyn Thomas und ihrer verwaisten Enkelin: der Naturpark Sawubona soll in zwei Wochen, an Heiligabend, in die Hände von Reuben James übergehen. Schon treiben sich seine Mitarbeiter auf dem Gelände herum; ein nächt­licher Einbruch zeigt den Ernst der Lage. Als ein wütender Elefant James’ Fahrer Lurk angreift, findet Martine heraus, dass das Tier aus einem namibischen Zoo stammt und Jahre zuvor verwundet nach Sawubona gebracht wurde. Die Geschichte dieses Elefanten wird zum Schlüssel für das Geheimnis des Mr. James.
Der elfjährigen Martine ist der aalglatte Gentleman von Anfang an zuwider und sie tut alles, um seine Pläne zu durchkreuzen: Während Gwyn nach England fliegt, um Nachforschungen wegen des Testaments anzustellen, schmuggeln sich Martine und Ben in das Sportflugzeug ihres Feindes und fliegen mit ihm nach Namibia. Nach einem Zwischenstopp in der Wüste bleiben die beiden blinden Passagiere zurück: eine lebensbedrohliche Panne. Der junge San-Buschmann H’ani nimmt sich der beiden an. Er kennt Reuben James, doch für ihn ist er ein Tierschützer und ein guter Mensch, der ihm hilft, seinen Berufstraum vom Pressefotografen zu verwirklichen, nachdem H’anis Vater, ein Elefantenflüsterer, spurlos verschwand. Martine und Ben stehen vor einem Berg von Rätseln, bis sie eines Nachts mitten in der Wüste einen Paradiesgarten betreten …
Wiederum hat es die Autorin verstanden, einen bildmächtigen, spannenden Afrika-Roman mit anschaulichen Naturerlebnissen und mystischen Tierbegegnungen zu schreiben. Und David Deans Gestaltung, vom Schutzumschlag bis zu den Vignetten, verleiht ihm erneut ein leuchtendes, ausdrucksstarkes Gesicht. Martines und Bens Abenteuer sind mit starken Cliffhangern, politisch brisanten Machenschaften und einem zwiespältigen Charakter ausgestattet: Ist Reuben James ein wohlmeinender Mensch, der sich für den Tier- und Gewässerschutz einsetzt und aus Geldmangel erpressbar wird? Oder ist er ein Bösewicht, der sein Umweltengagement vortäuscht, um seine finanziellen Interessen zu verschleiern? Sein gigantisches Hotelprojekt, für das er in einem erloschenen Vulkankrater eine Oase schuf, verbindet James mit dem abstrusen Vorhaben, eine gegen die Klimaveränderung resistente Tierrasse zu züchten. Die Interessen seines Geldgebers dagegen kreisen um die Kontrolle der Wasservorräte Namibias. Mit der Schreckensvision, dass dereinst Kriege um Wasser geführt werden könnten, deutet St John erstmals eine politische Dimension der Umweltproblematik an. Der «Befreiungskrieg» der zu Tierversuchszwecken entführten und missbrauchten Elefanten setzt diesem Konflikt im Roman zunächst ein Ende.
Auch diese komplexe Thematik wird eingebettet in die magische Ordnung, die den großen Erzählzusammenhang trägt. Martine und Ben, die scheinbar unbedarften Schulkinder, werden darin eine besondere Rolle für das Leben der Tiere einnehmen. Das enthüllen ihnen schlussendlich prophetische Wandmalereien aus der Frühzeit des Kontinents. Und als Gwyn Thomas auch noch mit guten Nachrichten aus England zurückkehrt, steht einer weiten Zukunft in Sawubona nichts mehr im Wege.