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Ninetta Sombart

Nr 138 | Juni 2011

Immer im Aufbruch

Unter zeitgenössischen Künstlern ist die Auseinandersetzung mit christlich-religiösen Themen gegenüber früheren Epochen stark in den Hintergrund getreten. Umso auffallender ist es, wenn das Œuvre einer Malerin mit erstaunlicher Konsequenz von der Umsetzung scheinbar «alter» Motive christlicher Kunst geprägt ist, und zwar in einer höchst eigenständigen und unverwechselbaren Form- und Farbensprache.
Ninetta Sombarts malerisches Werk steht seit Jahrzehnten unter dem Motiv des Ringens um neue Ausdrucksmöglichkeiten für die großen Bildmotive, wie sie vor allem in den Evangelien gegeben sind. Den geistigen und künstlerischen Mittelpunkt bildet, was man als das würdigste Motiv christlicher Andacht und Meditation empfinden kann: das Antlitz Christi. Während Jahrhunderte europäischer Malerei vorwiegend den Menschen Jesus dargestellt haben, geht es Ninetta Sombart um die geistig-übersinnliche Dimension ihrer Motive: Wie kann man heute die Epiphanie der Jordantaufe dar­stellen, wie die Verklärung auf dem Berge, den Auferstandenen, wie das Bild des Engels?
Ninetta Sombart wurde 1925 als fünfte Tochter des berühmten Volkswirtschaftlers und Soziologen Professor Werner Sombart in Berlin geboren. Ihr Vater war damals 62 Jahre alt und war selbst ge­boren worden, als sein Vater schon sechzig war – Ninettas Großvater war also zu Lebzeiten Schillers, dreißig Jahre vor Goethes Tod, zur Welt gekommen! So war ihr intellektuell-großbürgerliches Elternhaus noch stark von den Lebensgewohnheiten des 19. Jahr­hunderts geprägt. Die Mutter stammte aus Rumänien und nahm ihre Tochter gelegentlich in die Gottesdienste der russisch-orthodoxen Kirche mit. Dort stand die große Ikonostasenwand mit wunderbaren Bildern, und es erklang herrlicher Gesang. Frühe, prägende Eindrücke, die an dem religiösen Grund bildeten, aus dem sie später ihre Malerei schöpfte. Einen väterlichen Freund und Lehrer, der ihr durch seine Lebensart und moralische Autorität wegweisende spirituelle Orientierung vermittelte, fand die junge Ninetta in dem rumänischen Dirigenten Sergiu Celebidache.
Nach dem Krieg und ersten Erfahrungen als Plakatmalerin gelangt sie über ihren Mann, einen amerikanischen Kunststudenten, der als GI nach Deutschland gekommen war, nach New York. Ent­behrungsreiche Jahre in den USA folgen, in denen Familienpflichten und Sorge um den Lebensunterhalt mit ersten künstlerischen Schritten zu vereinbaren sind.
Sombart schult sich durch Museumsbesuche und lässt sich stilistisch durch Surrealisten wie Magritte anregen, besucht Salvador Dali, studiert Rothkos Farbbehandlung und zugleich alte Meister wie Breughel, die Sieneser oder den großen Naiven Henri Rousseau. Ihre frühen Arbeiten machen sie rasch bekannt, und einige Bilder finden als Kunstdrucke in den USA weite Verbreitung. 1962 geht sie zurück nach Europa, arbeitete sich in Basel zur Werbeleiterin eines großen Industriebetriebes empor, bis sie sich ab 1987 in ihrem Wohnort Arlesheim ausschließlich der Malerei widmen kann. Heute sind ihre Werke über die ganze Welt verbreitet, ihre Altarbilder prägen zahlreiche Kirchen, und die Postkarten, Kalender und Poster ihrer Malerei erzielen hohe Auflagen. Auch mit 86 Jahren ist Ninetta Sombart unvermindert künstlerisch aktiv – Neues entsteht, Altes wird immer wieder übermalt oder neu gegriffen. Denn Ninetta Sombart ist ein Mensch, dessen Biografie von jugendlichen Aufbruchskräften gekennzeichnet ist.

Von Frank Berger