Felix und Frithjof Finkbeiner im Gespräch mit Doris Kleinau-Metzler

Redet nicht, pflanzt Bäume!

Nr 148 | April 2012

Es begann 2007 mit einem Referat des neunjährigen Felix Finkbeiner über den Klimawandel. Er verstand, dass mehr Bäume gut wären, um die Erwärmung der Erde zu stoppen. Sein Vorbild wurde Wangari Maathai, die afrikanische Umweltaktivistin und Nobelpreisträgerin, denn sie pflanzte in der abgeholzten Steppe von Kenia Bäume, damit die fruchtbare Erde erhalten bleibt. Mit Unterstützung von Lehrern und Eltern wurde vor Felix’ Schule ein erster Apfelbaum gesetzt, andere Kinder schlossen sich der Initiative an, mehr Bäume wurden gepflanzt. Dann sprach Felix 2009 vor der UN-Kinderkonferenz in Südkorea. Kinder aus 56 Ländern sind seitdem weltweit als Klimabotschafter aktiv.
Wir Erwachsenen haben uns oft an schockierende Botschaften über den Klimawandel und Ungerechtigkeiten, den Hunger in der Welt, gewöhnt. Kinder nicht. Die Kinder von «Plant-for-the-Planet» wollen, dass wirklich etwas passiert: Dafür steht die Aktion mit prominenten Erwachsenen: «Stop Talking. Start Planting» – «Redet nicht, pflanzt Bäume»! Warum sich nicht von dem Elan der Kinder anstecken lassen? Felix’ Vater Frithjof Finkbeiner (seit Jahren in der Globalisierungsbewegung aktiv) ist bei den vielen Terminen seines Sohnes immer im Hintergrund dabei, sei es bei Vorträgen bei der UNO in New York oder in Durban beim Klimagipfel.

Doris Kleinau-Metzler | Felix, warum ist es dir so wichtig, dass mehr Bäume gepflanzt werden?

Felix Finkbeiner | Als wir vor fünf Jahren angefangen haben, wollten wir den Eisbären retten und deshalb zur Verbesserung des Klimas mehr Bäume pflanzen. Je mehr wir dann gemacht haben, umso mehr haben wir verstanden, dass es eigentlich nicht um den Eisbären geht, sondern um unsere eigene Zukunft. Wir Kinder werden mit all den Problemen leben müssen, die die Er­wachsenen heute nicht lösen! Und als es bei uns vor Jahr­tausenden mal fünf Grad kälter war, lag hier zwei Kilometer dickes Eis. Ab ungefähr 2,3 Grad mehr Durchschnittstemperatur als heute wird das Grön­landeis schmelzen, dann steigt auch der Meer­wasserspiegel um sieben Meter. Ganze Länder und Städte würden dann unter Wasser stehen, auch Hamburg und Paris.

DKM | Es gibt aber auch Menschen, die sagen: So schlimm wird das nicht mit der Klimaerwärmung. Das hast du sicher schon gehört?

FeF | Ja, viele dieser Leute werden auch von Firmen dafür bezahlt. Aber die Wissenschaftler des IPCC (Klimagremium der Vereinten Nationen) haben das untersucht – und am 2.2.2007 veröffentlichten sie einen Bericht über ihre Ergebnisse, der ergab: Der Mensch ist schuld an der Klimakrise. Wenn wir jetzt den Wissenschaftlern des IPCC folgen, und in 20 Jahren finden wir heraus, dass es so doch nicht stimmt, haben wir keinen Schaden angerichtet. Aber wenn wir den Skeptikern folgen, die sagen, es gibt keine Klimakrise, und in 20 Jahren finden wir heraus, dass das nicht stimmt, dann ist es zu spät, um unsere Zukunft zu retten.

DKM | Das ist ein gutes Argument. Aber die Klimaerwärmung hängt von vielen Bedingungen ab, nicht nur von den Bäumen.

FeF | Klar, mit Bäume pflanzen allein wird das Problem nicht zu lösen sein, die Zeit drängt; wir brauchen eigentlich weltweite Gesetze. Zu den Problemen gehört auch die Ungerechtigkeit – jeden Tag verhungern 30.000 Menschen, obwohl genug für alle da wäre. In den Sommerferien waren wir vier Wochen in Afrika, in Tansania, Kenia, Südafrika und Lesotho, einem der ärmsten Länder der Welt. Dort habe ich in einem riesigen Konferenz­zentrum einen Vortrag gehalten vor 500 Kindern, der Königin und sechs Ministern; aber sie konnten den Raum nicht heizen, weil sie kein Geld hatten, es war nur 10 Grad. In Nairobi und Johannesburg haben wir Veranstaltungen in den Slums gemacht. Den größten Applaus überhaupt gab es, als wir gesagt haben, dass es jetzt Mittagessen für alle gibt. Wir leben in einer unglaublich reichen Welt, und es gibt eigentlich genug für alle. Dass ich mal einen einigermaßen guten Job haben werde, ist fast schon klar – aber jemand in Afrika kämpft wirklich ums Überleben.

DKM | Du weißt viel und kannst jetzt im Gespräch auch alle Infor­mationen auswendig, fast wie in einem Vortrag. Hast du kein Lampen­fieber, wenn du vor vielen Leuten redest?

FeF | Vorher bin ich immer aufgeregt, egal ob ich vor meiner Klasse ein Referat halte oder ob ich vor 500 Fremden spreche. Ganz so schlimm wie am Anfang ist es aber nicht mehr, weil ich ja schon viele Vorträge gehalten habe.

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Fotos: © Wolfgang Schmidt (www.wolfgang-schmidt-foto.de)

DKM | Kannst du einen Tipp für andere Schüler geben, wie man gut vor einer Gruppe reden kann?

FeF | Ich habe mir noch nie den ganzen Text aufgeschrieben oder alles genau gemerkt, sondern ich mache mir nur Stichpunkte, dazu dann ein paar Unterpunkte. Meistens brauche ich aber keinen Zettel mehr bei den Vorträgen zur Klimakrise, denn ich kenne ja das Thema und kann mir die Hauptpunkte gut merken.

DKM | Du bist ja nicht mehr das einzige Kind, das sich engagiert ...

FeF | Ja, es gibt so viele Kinder, die bei Plant-for-the-Planet mit­machen. Wir haben dafür Kinderakademien, das sind Ein-Tages-Veranstaltungen für Kinder, die mitmachen wollen. Dort lernen sie viel über Klimagerechtigkeit, aber auch, wie sie kleine Bäumchen pflanzen. Die Kinder sind dann Botschafter für Klimage­rechtigkeit und verbreiten die Idee da weiter, wo sie leben. Wir haben schon 12.500 Botschafter auf 153 solcher Akademien in 20 Ländern ausgebildet. Eine Million bis 2020 ist unser Ziel.

DKM | Du fährst viel herum, bist an einer Ganztagsschule, in der Englisch die Hauptsprache ist. Ist das nicht manchmal sehr stressig?

FeF | Natürlich habe ich Eltern, die das unterstützen. Aber das Ganze ist nicht nur Arbeit, sondern macht auch unglaublich viel Spaß! Wenn ein Vortrag gut gelaufen ist und die Leute fragen danach, wie sie uns unterstützen können, ist das toll. Wir haben jetzt «Die gute Schokolade» auf den Markt gebracht, fair trade und klimaneutral. Wir wollen nicht, dass die Kinder der Kakaobauern für uns die Bohnen pflücken, sondern sie sollen in die Schule gehen können. Bei den letzten beiden Vorträgen vor der Süßwaren- und Lebensmittelbranche sind zwanzig Unternehmer aufgestanden, nach vorne gekommen und wollen mitmachen. Das war klasse!

DKM | Ja, Erfolg spornt an. Wenn du so begeistert erzählst, merkt man, dass du auch ein ganz normales Kind bist. Was hast du denn im Alltag in letzter Zeit Schönes erlebt?

FeF | Das mit der Schokoladensache hat mich schon sehr gefreut. Außerdem habe ich neulich eine ziemlich gute Note in Mathe bekommen, die meine Note insgesamt weit nach oben gebracht hat. Algebra ist schon nicht mehr so leicht wie die Mathe vorher.

DKM | Das kann ich verstehen. Worüber ärgerst du dich manchmal?

FeF | Mit den Schwestern ärgert man sich ständig (Felix hat eine ältere und eine jüngere Schwester), wahrscheinlich wegen dem Un­wichtigsten ... Am schlimmsten ist es im Auto, weil man dann so gequetscht ist.

DKM | Und was machst du am liebsten in deiner Freizeit?

FeF | Computerspiele (Autospiele, Rennen) und Abenteuer­romane lesen, oft in Englisch. Im Winter fahre ich gern Ski und Snow­board. Ansonsten bin ich nicht so gut in Sport – außer in Fußball.

DKM | Was für Pläne hast du? Wie geht es mit deiner Arbeit für Plant-for-the-Planet weiter? Du wirst ja bald 15.
FeF | Was ich mal machen werde, weiß ich noch nicht. Erst mal bin ich ab Mitte des Jahres nicht mehr Präsident, da wird jemand anderes gewählt, auch ein neuer Weltvorstand. Jeder, der bei uns mitmacht, kann dann über das Internet an der Wahl teilnehmen. (Frithjof Finkbeiner, der Vater von Felix, war beruflich unterwegs und kommt nun zum Interview dazu; Felix verzieht sich in die Küche des Bürotraktes, um neue Kekse zu holen.)

DKM | Herr Finkbeiner, wie war Felix eigentlich als kleiner Junge?

Frithjof Finkbeiner | Er war kein Draufgänger, er hat neue Sachen erst mal beobachtet. Und er hat Informationen regelrecht aufge­sogen, fragte viel nach. Früher ist die Familie am Wochenende meist zu meinen Vorträgen mitgefahren; die Mädels waren froh, wenn wir danach etwas anderes gemacht haben, aber Felix wollte immer mehr wissen. Felix hat auch die Fähigkeiten, sich etwas gut zu merken – dagegen ist mein Gedächtnis ein Sieb. Er hat ein starkes Trans­ferdenken, das heißt, er kann, was er vor Monaten gehört hat, in einen Zusammenhang mit einem neuen Ereignis stellen.

DKM | Sie selbst sind auch in der Umweltbewegung aktiv?

FrF | Weniger im Umweltbereich. Ich bin seit 20 Jahren sehr an der Frage interessiert, wie man die Globalisierung fair gestaltet. Die zunehmende weltweite Verflechtung in fast allen Bereichen – von Wirtschaft bis zu Kultur und Kommunikation durch das Internet – prägt unsere Zeit. Die Globalisierung ist ja etwas, was passiert, ohne dass jemand als Einzelner etwas dafür oder dagegen tun kann, und als solches nicht schlecht. Durch die Globalisierung entsteht aber Regulierungsbedarf, denn auch aufgrund der ungleich verteilten Ressourcen, der Dominanz der reichen Länder, leiden Menschen in vielen Länder an Hunger, haben keine Gesundheitsfürsorge und keine Bildungs­chancen. Aus sozialen und ethischen Gründen ist es notwendig, intensiv auf eine multinationale Kooperation und Regulierung hinzuarbeiten, bei der Nachhaltigkeit und Ge­rechtigkeit wesentliche Kriterien sind.

DKM | Wo liegen die biografischen Wurzeln ihres eigenen Engagements?

FrF | Sicher hat mich auch mein Vater beeinflusst (so wie Felix auch durch mich beeinflusst ist), er war Unternehmer und zeitlebens immer auch gesellschaftlich engagiert für das, was ihm wichtig war. Dann haben mich auch eigene Erfahrungen geprägt: Nach meinem Studium bin ich ein Jahr lang mit dem Fahrrad durch Afrika geradelt, habe dort auch meinen Bruder besucht, der Buscharzt in Tansania war. Die Lebensart der Afrikaner, ihre ganz andere, positive Lebenseinstellung hat mich fasziniert – im Gegensatz zu unserem sehr schnellen Leben hier in Europa. Das war die eine Seite. Die andere Seite ist das unbeschreibliche Elend, das dort teilweise herrscht. Man kann dort vor Ort ganz praktisch er­leben, wie die Spielregeln, die die Industrienationen schaffen, Unheil über ein kleines Land bringen, das überhaupt nichts dafür kann – nur weil beispielsweise große Konzerne die Bedingungen be­stimmen oder wir mit Subventionen unsere Waren fördern. Die Länder, die Menschen werden aus­geplündert. Und da muss man ansetzen, um eine andere Welt mit Chancen für alle zu schaffen – durch Aufklärung über diese Bedingungen und über Vorschläge, das gemeinsam zu verändern.

DKM | Auch Plant-for-the-Planet beteiligt sich daran. Aber ist das überhaupt ein Thema für Kinder, überfordert es nicht auch Felix?

FrF | Nein, Felix ist kein Sonderkind, auch andere Kinder engagieren sich. Um nicht alles auf Felix zu fixieren, haben wir die Kinder-Akademien entwickelt, bei der immer wieder viele Kinder be­geistert mitmachen und sich später in ihrem Umfeld ganz konkret für ihre Zukunft engagieren.