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Benjamin J. Myers

The Bad Tuesdays: König ohnegleichen

Nr 157 | Januar 2013

gelesen von Simone Lambert

Das Science-Fiction-Epos um den Kampf zwischen der Ver­bogenen Symmetrie und dem Komitee richtet den Fokus im vierten Band, König ohnegleichen, auf den fünfzehnjährigen Splinter. Die Bad Tuesdays hatten sich nach Splinters Verrat verloren. Während Box auf dem Gefängnisplaneten PURG-CT483 zum Kampfopfer der Hundetruppen ausgebildet wird und Chess ihre besonderen Fähigkeiten trainiert, um dem Feind entgegenzutreten, setzt Splinter sein betrügerisch erworbenes Geheimwissen ein, Inquisitor der Verbogenen Symmetrie zu werden. Er ist am Tod dreier Kristallpriester beteiligt, die in der Hierarchie unter den Inquisitoren stehen. Oriana Lache liefert er ihrem Konkurrenten Fenley Ravillious aus; der kommt vor Splinters Augen zu Tode durch das Schwert von Anna Ledwards, Chess’ Freundin, die den Mord an ihrem Bruder rächen will. Anna, die wie ein weiblicher Samurai auftritt, beeindruckt Splinter, dennoch verweigert er ihr, seiner Schwester Chess zu helfen. Auch Tethys, Tochter von Ravillious und selbst Kristallpriesterin, kann er bei einer Art Russischem Roulette ausschalten. Damit hat er sich Zugang zu den Inquisitoren verschafft, und die erfüllen ihm seinen größten Wunsch: sie krönen ihn zum König! Doch die Macht fordert einen hohen Preis …
Je mehr der Konflikt des Romans das Innere der Protagonisten erreicht, desto stärker beeindruckt seine Ästhetik. Die Ereignisse spielen fast ausschließlich nachts in einem Moloch von Großstadt; Regen und Schmutz trüben die Atmosphäre, keinerlei soziale oder staatliche Kontrolle begrenzt das Geschehen. Technologien ermöglichen die Verbindungen von lebenden Organismen mit Maschinen und erzeugen eine ständige Bedrohung. Es ist die Ästhetik des Film Noir und des Cyberpunk mit seinen dystopischen Zukunfts­fantasien, die hier einen literarischen Niederschlag findet. Ein typisches Motiv ist, dass die Bad Tuesdays als Straßenkinder aufgewachsen sind – Abschaum der Gesellschaft und Überlebenskünstler zugleich. Splinters Intelligenz hat ihn gerettet, aber auch seinen Machtsinn geschärft. Dass nun seine kleine Schwester Chess im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit jener Kräfte steht, deren Wechselspiel die Welt bestimmt, kann er weder verstehen noch er­tragen. Jedoch wankt seine Einstellung, denn Splinter entdeckt Gefühle der Zuneigung in sich. Zunächst empfindet er diese Verbundenheit bei Oriana Lache, danach gegenüber Anna. Und Splinter begreift, dass er eine andere Frau unterschätzt hat: als Mevrad Styx nach seiner Krönung den Thronsaal betritt, nicht als Ethel, die «alte Schachtel», sondern als kraftvolle, schöne Erscheinung, ducken sich die, die er für mächtig hielt. Am Ziel seiner kindlichen Wünsche angelangt, fühlt er «… mit einem Mal … das würgende Gewicht des Handels, den er mit der Verbogenen Symmetrie abgeschlossen hatte». Splinter soll seine Schwester ausliefern. Wird er es tun?
Für den Leser wird Splinter erst jetzt menschlich. Splinter lernt, dass in der Welt der Macht, in der er sich jetzt bewegt, Eigennutz eine unreife, wertlose Haltung darstellt. Doch was ist sein eigener freier Wille? Der Roman entfaltet zunehmend sein philosophisches Potenzial und entlässt den faszinierten Leser mit offenen Fragen bis zum nächsten Band.

Simone Lambert lebt bei Hamburg, hat am Institut für Jugendbuch­forschung der Goethe-Universität Frankfurt Germanistik studiert und ist als Rezensentin von Kinder- und Jugend­literatur für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften tätig.