Birte Müller

Eingeseift

Nr 160 | April 2013

Als ich ein Kind war, hatten wir zum Waschen im Bade­zimmer ein Stück Seife. Zum Haarewaschen gab es ein Shampoo, irgendein Shampoo. Ich erinnere mich genau an den Duft des ersten Apfelshampoos meiner großen Schwester vor 30 Jahren! Ein Traum!
Vor Kurzem musste ich von meinem geliebten Stück Seife am Waschbeckenrand Abschied nehmen. Willi beißt, wann immer er kann, nämlich in die Seife rein. Ihm scheint es zu schmecken (und es ist nicht etwa Apfelseife), aber mich macht das ganz fertig.
In meiner Dusche stehen aber weiter seit 1980 die verschiedensten Shampoos, Duschgels, Haarspülungen und Kuren. Im Lauf der Jahre tauchten immer wieder neue, mir oft vorher nicht bekannte, wundersame Wirkstoffe auf, die angeblich in dem Zeug drin sein sollen oder nach denen es angeblich riechen soll. Das ging über Jojoba, Aloe vera, Nerzöl und Pferdemark bis hin zu Gelee Royal. Aktuell sind wohl gerade wieder Obst und Gemüse in Mode für Toiletten­artikel, denn ich lese auf meinen Packungen «Avocado-Traube», «Feige & Rosenblüten-Öl» und (natürlich immer gern auch in Fremdsprachen): «Pomegranate, Argan & Grapeseed»! Toll, oder?
Granatapfel und Traubensamen kann ich ja gerade noch verstehen, aber dass da die Frucht des nordafrikanischen Argan-Baumes in meinem Duschgel steckt, musste ich erst mal googeln.
Tatsächlich lese ich seit Jahren die Beschriftungen auf Shampoo-Flaschen und amüsiere mich prächtig dabei. Wer denkt sich diese immer neuen Phantasieinhalte und Wirkungsweisen bloß aus? Und wer glaubt daran?
Ich bin mittlerweile schon froh, wenn ich weiß, wofür das Produkt überhaupt gedacht ist! Monatelang beäugte ich ein Fläschchen mit «toning lotion», das mir geschenkt wurde, weil ich einfach keine Ahnung hatte, was das sein sollte – und fürchtete einen Selbstbräuner (ist übrigens wohl nur Gesichtswasser).
Vor Kinderprodukten macht die Industrie natürlich auch nicht Halt. Das «Feen Anti-Ziep-Shampoo» meiner Tochter (auch ein Geschenk!) ist rosa und mit «glitzerndem Feenstaub» und auf Willis «Piraten Schaumbad» steht: «mit schäumenden Bubbles – verwandelt die Badewanne in ein stürmisches
Meer …»
Na vielen Dank auch, Willi verwandelt die Badewanne (und den Rest des Bade­zimmers) ohnehin in ein stürmisches Meer, da braucht er nicht auch noch «Schaum-Bubbles» in seinen Augen.
Mein Mann braucht übrigens – statt vier verschiedener Produkte wie ich – in der Dusche erstaunlicherweise nur ein einziges Dusch­gel. Auf Männerprodukten wird es RICHTIG lustig! Statt Mädchen­­kram wie Obst und Glitzer haben sie Dinge wie «Meeres­­algen» und «Hopfen» drin! Klar, DAS interessiert einen Mann. Wenn ich Duschgel-Designerin wäre, würde ich es mal versuchen mit «Diesel und Alkohol», das wäre auf jeden Fall was für meinen Mann. Gerade aktuell ist in seinem Duschgel: «Taurin» und «spritziges Zitronen­gras» (oh, auch mal Gemüse für den Mann). Taurin! Ich lach mich schlapp! Und dann die Texte erst, die sind das Beste! Alle Männer-produkte sollen den Mann irgendwie «dynamisch-männlich aktivieren». Besonders geliebt habe ich den Satz: «Stärkt den Mann für die Herausforderungen des Tages». Aber es hilft nichts, so viel duschen kann kein Mann, dass er genügend Stärkung hat für ein komplettes Wochenende mit unserem Sohn Willi! Ganz undynamisch bricht mein Mann dann auch auf dem Sofa zusammen, wann immer es geht – und so gar nicht spritzig (trotz des Zitronengrases) erhebt er sich davon wieder, wenn ich ihm im Vorbeihetzen ankeife, er solle bitte gefälligst auch ein Kind anziehen oder mit einem auf die Toilette gehen, weil ich gerade hektisch versuche, drei andere Dinge gleichzeitig zu machen. – Übrigens ist das wohl der Grund, warum auf fast allen Frauenprodukten steht: «Calming and Relaxing …». Hat aber bei mir wohl noch nicht gewirkt ;-)