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erZÄHLen

Markus Stettner-Ruff

Nr 162 | Juni 2013

Vom 24/06/ bis 07/07/1909 hielt Rudolf Steiner in Kassel vierzehn Vorträge zum Johannesevangelium.
Vom 24/06/ bis 07/07/2013 liest die Schauspielerin und Sprachgestalterin Jeanette Dietrich diese Vorträge jeden Abend um 20 Uhr öffentlich.
Diese Lesungen bilden den Kern des Projektes erZÄHLen des Rudolf Steiner Instituts Kassel. Eine freie, offene Projekt-Werkstatt bietet tagsüber die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit den Steiner-Vorträgen. Ein Ort des Austauschs und der Begegnung, der sich durch den Gestaltungsprozess der anwesenden Menschen jeden Tag neu erfindet. Im besten Fall in Form der Sozialen Plastik.
Ein Freiraum, ganz bewusst gesetzt in den Trubel der zwei letzten Schulwochen. Das öffentliche Projekt erZÄHLen bildet das Ende des Studienjahres 2012/13 des Rudolf Steiner Instituts Kassel.
Das dOCUMENTA (13) Projekt, «Zusammenbruch und Wieder­aufbau – Schöpfen aus dem Nichts», stand am Anfang.

Vom «Initiationsprinzip» zum «Zivilisationsprinzip»
Ein wichtiger Ansatzpunkt, sich heute dem Vortragszyklus Steiners und dem Johannesevangelium zu nähern, sind die Zahlen und ihre Verhältnisse und Beziehungen. Sich das Werk in der Stadt der Brüder Grimm, 200 Jahre nach der Erstausgabe ihres Märchenbuches und im Jubiläumsjahr «1100 Kassel», im erZÄHLen zu erschließen, ist ein Anliegen des Projektes.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Eröffnungsveranstaltung am Sonntag, dem 23.06., «ZAHLenrätsel» heißt. Die beiden Initiatoren Markus Stettner-Ruff und Michael Hayn, haben Jean-Claude Lin dazu eingeladen. Dieser hatte mit seinem Buch Weisheit und Liebe – Erfahrungen des Geistes Tag für Tag, in dem er 365 Zitate aus Vor­trägen Rudolf Steiners für jeden Tag des Jahres auswählte, einen entscheidenden Impuls bewirkt. Der Kasseler Johannes­evangeliums­zyklus ist darin als einziger Zyklus vollständig be­rücksichtigt.

Ein Beispiel für eines der drei Hauptmotive des Projektes aus dem Programmheft vermittelt dessen spannenden Ansatz:
«Nequaquam Vaccum» («Nirgends Leere»), so heißt es in dem Rosenkreuzer Manifest (Kassel, 1614). Doch kaum ein Jahrhundert später wird an diesem Vakuum in Kassel geforscht und durch Denis Papin technisch nutzbar gemacht. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts tritt mit Carl Anton Henschel die Dampftechnik ihren industriellen «Siegeszug» an.
Es geht uns um die notwendige «SELBST-HALTUNG» in einer technologischen Welt. Wir sind alle Kinder eines «Technologischen Zeitalters». Hieraus ergibt sich für uns die Aufforderung, das Johannesevangelium überhaupt in den Blick zu nehmen. Durch dessen Mitte werden wir darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es für Keimkräfte unserer Zukunft ist, das «Initiationsprinzip» zum «Zivilisationsprinzip» werden zu lassen.

Ein mutiges Projekt, dem zu wünschen ist, dass die «Keimkräfte» Nährboden finden.