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Monika Speck

Nr 166 | Oktober 2013

Warum schreibe ich?

Diese Frage habe ich mir lange nicht gestellt. Ich schrieb schon als Kind kleine Geschichten und malte dazu – aus einem Bedürfnis heraus. Ich hatte einfach Freude daran, Eindrücke und Erlebnisse aller Art auf diese Weise zu verarbeiten.
Beschäftigt hat mich viel, und Eindrücke gab es reichlich: fremde Kulturen, fremde Sprachen, wechselnde Schulen. Inmitten dieses unsteten Lebens gab es etwas, das beständig war: Die Wunder­welt der Bücher und der Musik. Es war eine Welt, die ich nur zu betreten brauchte wie durch eine geheime Tür. Da tummelten sich die Helden und verzauberten Schönen, die Fabelwesen und Kobolde der Märchen, die mich tagelang beschäftigten. Natürlich verwandelte ich mich sofort in die eine oder andere Gestalt, die es mir am meisten angetan hatte. Ich lebte und fühlte sie in meinem Spiel und bekam nicht genug. Später waren es die glücklichen oder tragischen Gestalten der klassischen und moderneren Literatur in ihrer Viel­schichtigkeit, die es mir angetan hatten – und zu allen fühlte ich eine gewisse Ver­wandtschaft, als wären sie einem verborgenen Winkel meines Inneren entsprungen und zum Leben erweckt worden.
Was ich damals erlebte, aber noch nicht begriff, war die Macht der Sprache und ihre Beziehung zur menschlichen Natur. Ich verstand aber im Lauf der Jahre, wie die Sprache in der Lage ist, das Unaussprechliche heraufzubeschwören, das Wesentliche, das zwischen den Zeilen auftaucht und uns am tiefsten bewegt und berührt. Das Unaussprechliche selbst, das nicht mehr begrifflich, sondern nur noch ein Erlebnis, eine Art Bild ist. Ein Vorgang der «Bildung» ganz eigener Art. Eine Erfahrung, die nicht nur bildet, sondern reich macht, weil sie einem nicht mehr genommen werden kann.
Es kann ein Bedürfnis werden, dies mit anderen zu teilen. Heute weiß ich, dass das der Grund ist, warum ich schreibe. Ich möchte meinen jungen Lesern auch eine Tür öffnen und ihnen Zutritt zu einer Welt verschaffen, die imaginär und doch so real ist, weil sie mit dem Leben zu tun hat.
So auch in meiner jüngsten Geschichte. In einem kleinen Städtchen geht alles drunter und drüber. Genauso zerstreut, verwirrt und eigenartig sind auch seine Bewohner, denen ihr eigenes Durcheinander bald über den Kopf wächst. Das spiegeln ihnen die Kinder wider, die aber – man mag es ahnen – «normaler» als die Erwachsenen sind. Außerdem besitzen sie die Gabe des Reimens, die sie dazu nutzen, sich über die Erwachsenen zu amüsieren. Dass bald Ordnung einkehrt, verdankt dieses Städtchen seiner Protagonistin, Frau Babette, einer kleinen älteren Dame, die es auf geheimnisvolle Weise versteht, die Bewohner selbst dazu anzuregen – nicht zuletzt mit der Hilfe von Büchern.
Ja, ich gebe zu, da ist meine eigene Begeisterung für Bücher mit eingeflossen. Sollte sie über die Erzählung hinaus ansteckend wirken, bin ich meinem Ziel ein ganzes Stück näher gerückt.