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Lauren St John

One Dollar Horse

Nr 169 | Januar 2014

gelesen von Simone Lambert

Casey Blues Träume sind weltfremd in den Augen von Mrs. Ridgeley, der Leiterin der Hope Lane Riding School, in der die knapp Sechzehnjährige neben der Schule Stalldienst leistet. Statt Hilfsreitlehrerin zu werden, wünscht sich das Mädchen, «auf dem Rücken eines Pferdes wie von Flügeln getragen über verrückte Hindernisse zu springen und gegen die besten Reiter der Welt anzutreten». Ist das wirklich eine der Illusionen von einer wundersam verwandelten Zukunft, wie sie die Castingshows nähren?
Als Casey und ihr Vater eines Tages mit einem gefundenen Dollar ein heruntergekommenes Pferd vor dem Abdecker retten, ändert sich alles. Storm Warning, wie sie das edle Tier nennt, erholt sich unter Caseys Pflege schnell. Die knapp Sechzehnjährige, unterstützt von ihrem Vater und ihrer älteren Freundin Mrs Smith, fasst einen kühnen Entschluss: sie will in zwei Jahren die Badminton Horse Trials gewinnen. Doch Casey Blue hat ein Handicap: ihre soziale Herkunft. mit ihrem alleinerziehenden Vater, der nach einer Haftstraße wegen Einbruchdiebstahls arbeitslos ist, lebt sie in einem abgerissenen Ostlondoner Viertel. Ein Mädchen aus der Unter­schicht im von der britischen Klassengesellschaft gezeichneten Pferdesport, ist das möglich?
Eine intensive Zeit beginnt, bestimmt von hartem Training, Geld­sorgen und Konflikten, bis ein anonymer Sponsor hilft. Mit ihrer kleinen exzentrischen Truppe zieht Casey als Außenseiterin von Turnier zu Turnier und erfährt die Dramatik des Hochleistungs­sports ebenso wie die Rivalitäten neben der Rennbahn: Anna Sparks, die Starreiterin, ist ebenso schön wie selbstsüchtig und intrigant. Aber Casey lernt auch Peter Rhys kennen, den Sohn des Wanderschmieds …
Dieser mitreißende Abenteuerroman dürfte auch Leser(innen) in den Bann ziehen, die keine Pferdenarren sind. Lauren St John erzählt Caseys und Storms Geschichte als innige Beziehung
zwischen zwei eigensinnigen Wesen, deren Kraft und Intelligenz sich erst dem zweiten Blick eröffnen. In fesselnden, emotionalen Passagen erscheint Storm Warning als einer der stärksten Charaktere in diesem Buch.
Im ersten Band ihres als Trilogie angelegten Pferderomans modernisiert die Autorin einige klassische Motive des Genres. So übernimmt Peter in der sich anbahnenden Romanze gewissermaßen die Rolle des heimlich verliebten Mädchens. Im Gegensatz zu Casey, für die allein das Reiten zählt, erkennt Peter Caseys Wesen sofort, behält aber verunsichert seine Gefühle für sich. Ungewöhnlich ist auch Caseys Beziehung zu ihrem verwitweten Vater. Sie hängt sehr an ihm, der glaubhaft einen Neustart versucht: als Schneiderlehrling mit Freude kreativer Arbeit zeigt auch er weiche Züge. Als er aber heimlich ihr Pferd verkauft, ist Casey kurz davor, ihn fallenzulassen. Doch in One Dollar Horse hat die patriarchalische Gesellschaft abgedankt; ein schwacher, beeinflussbarer Vater, ein Trunkenbold von Pferdebesitzer und ein betrügerischer, insolventer Geschäftsmann können es nicht verhindern, dass Casey sich durchsetzt.
Beeindruckend schließlich schildert die Autorin die englische Land­schaft, in die das Training schließlich verlegt wird. Das archaisch begangene Weihnachten ist eine winterliche Hommage an die Schönheit von Kent, die einen geradezu magischen Kontrast zu den rauhen Londoner Szenen bildet – Lauren St John schöpft gekonnt aus dem Vollen.

Ein mitreißender Abenteuerroman mit starken Charakteren, der auch Leser in den Bann zieht, die keine Pferde­narren sind.

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