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Hilde Vandermeeren

Aktion Bernie raus

Nr 170 | Februar 2014

gelesen von Simone Lambert

Es beginnt spaßhaft, humorig. Leonore, die achtjährige Ich-Erzählerin, berichtet von der Partnersuche ihrer Mutter. Zunächst wirkt sie selbstbewusst und ein bisschen abgebrüht, als sie beschließt, Bernie, den Neuen, rauszuekeln. Und das mit Methode: Leo legt extra dafür ein neues Heft an. Sie ist immun gegen alles, was nach Bestechungsversuch oder einem Manöver, sich einzuschmeicheln, aussieht. Man stellt sich auf eine amüsante Jagd um die Gunst der Mutter ein. Doch schnell merkt der Leser, dass hier Ängste und Sehnsüchte die Fäden ziehen.
Die vaterlose Leo hat ihre Erfahrungen gemacht. Zwei Mal waren bereits Männer bei ihnen eingezogen. «Und sie saßen immer auf meinem Stuhl.» Der schlichte Satz ist ein sprechendes Bild dafür, wie das Mädchen um seinen Platz im Familiengefüge fürchten musste. Leo hat auch erlebt, dass ihre Mutter sich nach dem Scheitern der Beziehungen gehenließ und ihre Tochter vernachlässigte.
Aber Bernie ist eigentlich ein netter Typ. Er begegnet Leos Sprödigkeit mit Respekt und Geduld, er nimmt sie in Schutz und er plant für drei. Bernie schimpft nicht, als Leo in seinem Karnevalsladen versehentlich ein Kostüm zerreißt. Und er nimmt es gelassen, als sie sich auf seine Hose übergibt. Als er sich auch noch als fürsorglich erweist, während Leo mit Fieber im Bett liegt, ist die Kleine fast so weit, ihn doch ganz in Ordnung zu finden und Vertrauen zu fassen. Aber dann belauscht sie eine Bemerkung und «erkennt», wie Bernie wirklich ist. Ab da versucht Leo wirklich alles, um Bernie zu vertreiben. Sie lügt, dichtet ihm fiese Geburtstagsverse und ist äußerst einfallsreich darin, ihn schlecht zu behandeln. Bernie zieht wieder aus. Eine Zeitlang versucht Leo, diesen Rückzug als Erfolg zu verbuchen und über die Zerstreut­heit ihrer Mutter hinwegzusehen. Klärungsversuche schlägt sie aus. Aber Leo vermisst Isabelle … Bernies alte Hündin fand Leo zunächst eklig, dann schloss sie die anhängliche, inkontinente alte Dame ins Herz. Die Nachricht, dass Isabelle im Sterben liegt, wühlt sie auf und lässt sie über ihren Schatten springen: Sie geht zu Bernie. Der lässt sie ohne Vorwurf ein und Leo begleitet Isabelle bis zum Tod.
Die Neuordnungen in Patchworkfamilien sind oft alles andere als komplikationslos und unproblematisch. Vandermeerens kleine Geschichte über Leos Kampf, den neuen Freund ihrer Mutter loszuwerden, geht einem ans Herz. Das Mädchen will sich selbst und die Mutter vor neuen Enttäuschungen bewahren und fühlt sich für den Familienzusammenhalt verantwortlich. Leo fürchtet, das Recht auf ihre Mutter an den Neuen abtreten zu müssen. Diese Angst ist größer als die Sorge um das Glück ihrer Mutter. Aber Leo hat auch Sehnsucht nach einem Vater.
Die Hündin stirbt. Sie wird eingeäschert. Genauso wie Leos Irrtum über Bernies Absichten, den die Erwachsenen aufklären können. Leo fasst Vertrauen und verbrennt das «Aktion Bernie raus»-Heft – heimlich.
Humor, Zärtlichkeit, Sehnsucht und Liebe sind die Ingredienzien für diesen anrührenden Kinderroman, der Phänomene der Moderne so zeitlos zu schildern versteht. Ein Buch, das man nach dem Lesen nicht vergisst.


Humor, Zärtlichkeit, Sehnsucht und Liebe sind die Zutaten für diesen berührenden Kinderroman, den man nach dem Lesen nicht mehr vergisst.