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Alessa Dostal

Nr 175 | Juli 2014

Die Stille in meinen Bildern

«Könnt ihr mal bitte ruhig sein? Ich höre doch gerade den Schnecken beim Kauen zu!»
Ja – ich war ein merkwürdiges Kind. Ich war unglaublich still und lebte gern in meiner eigenen Welt. Am glücklichsten war ich, wenn ich einfach in Ruhe beobachten konnte. Am meisten faszinierten mich dabei Dinge, die wohl für die meisten Menschen viel zu klein, zu unscheinbar waren, um sie zu beachten.
Ich würde jetzt gern sagen, dass ich aus diesem Grund, wie viele meiner Künstlerkollegen, schon immer, überall und zu jeder Gelegenheit gezeichnet habe, aber so war es leider nicht. Neben meiner äußerst stillen und geduldigen Art war ich nämlich auch noch äußerst faul.
Zu meinem großen Glück meldete mich meine Mutter, als ich etwa sieben war, bei einer Porträtmalerin in unserer Straße zum Malkurs an. Ich liebte die Stille, die ich in diesem lichtdurchfluteten, nach Farben duftenden Atelier fand. Ich glaube, dass diese Stille für mich sehr bedeutend war, um meine Liebe zur Kunst zu entdecken. Hier konnte ich ganz bei mir sein, einfach beobachten und malen.
Die Atmosphäre dieses Ateliers ist bis heute fest in meiner Erinnerung gespeichert und das Alleinsein, das ich dort so genossen habe, suche ich auch heute zum Malen und Zeichnen. Ich muss innerlich zur Ruhe kommen und meine Gedanken zum Schweigen bringen. Dabei hilft mir meistens ein Hörbuch oder Musik, aber es kommt auch vor, dass ich mich so in ein Bild versenke, dass ich gar nichts mehr um mich herum wahrnehme. Tatsächlich habe ich aber diese Atmosphäre erst mit dem Beginn meiner Arbeit an Ziege mit Himbeere* in meinem kleinen Atelier, das ich mir dafür zu Hause eingerichtet habe, wiedergefunden.
Die ersten fertigen Bilder habe ich auf einer Jahresausstellung meiner Hochschule ausgestellt. Als ich den Menschen dabei zusah, wie sie meine Bilder betrachteten, war es plötzlich, als würden mir diese fremden Leute ganz direkt in die Augen sehen. Mir wurde in dem Moment bewusst, wie viel von meinem Wesen unbemerkt in diese Bilder geflossen war, während ich meine Aufmerksamkeit im Studium lange Zeit vordergründig auf das Handwerk des Malens gerichtet hatte. Vor einigen Jahren war es mir noch unangenehm gewesen, wenn meine Mutter davon erzählt hat, wie ich den Schnecken beim Kauen zugehört habe. Genauso unangenehm war es mir zuerst, als ich nun festgestellte, wie viel meine Bilder über mich verrieten. Schließlich wurde mir aber klar, dass mich jedes Bild so widerspiegelte, wie ich war, während ich es gemalt habe – wenn ich in meinem Atelier ganz ich selbst sein konnte.
Ob es also der Büffel ist, dessen Nasenspitze schon fast vom herabfallenden Basilikumblatt berührt wird, oder das Crème Brûlée- Schälchen, in das gerade ein paar Lavendelblütenblätter rieseln, oder aber eine einfache deutsche Kartoffel – ihnen allen habe ich bei ihrer Entstehung die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt und in ihnen allen kann ich mich sehen. Aus diesem Grund werde ich es jetzt auch meinen Bildern überlassen, Ihnen den Rest von mir zu erzählen und lade Sie zu einem tiefen Blick in meine Augen ein.

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