Florian Simbeck im Gespräch mit Ralf Lilienthal

Schwimmen musst du schon selbst!

Nr 179 | November 2014

Natürlich kennen die Bayern Florian Simbeck. Jenseits des Weißwurstäquators kennen sie ihn auch, aber dort heißt er «Stefan Lust». Oder «Stefan – von Erkan und Stefan.» «Ach die …», wird mancher jetzt ausrufen, vielleicht schmunzeln und an die Frühgeschichte der deutschen «Ethnocomedy» zurückdenken. Und man wird fragen, was ist eigentlich aus denen geworden? «So dies und das» ist – in Florian Simbecks Fall – sicherlich keine schlechte Antwort. Denn der Mann fährt mindestens fünfspurig und nicht selten Vollgas: Schauspiel und Comedy, Moderation, Reportage und neuerdings sogar die große Politik. Und weil er Stephanie, eine kluge, interessante und attraktive Frau von jenseits des großen Teichs, geheiratet hat, tief verwurzelt in der afroamerikanischen Kultur der USA, dürfte es – die zwei Teenager eingerechnet – auch in Simbecks privaten vier Wänden alles andere als langweilig zugehen …

Ralf Lilienthal | Können Sie im Staccato-Stil die «Vor-Erkan-und-Stefan-Zeit» des Florian Simbeck anreißen?
Florian Simbeck | Ich war der Klassenclown, der sich nur schlecht einen Witz verzwicken konnte und mit Humor bei den Mädels gelandet ist. Der als DJ gejobbt hat, mit siebzehn ein Jahr nach Dallas / Texas ging, dort viele schwarze Freunde hatte, mit ihnen Hip-Hop getanzt hat und auf Rap-Konzerte gegangen ist. Der, zurück in Deutschland, Menschen gesucht hat, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, im Ausland waren oder im Internat – wie John Friedman, dem späteren «Erkan».

RL | Woher kamen Ihre Namen, woher die Charaktere? Wie entstand das populäre Comedy-Duo?
FS | Es entstand in einer Münchener Kneipe und in der Regens­burger Mensa. Eines Abends hat uns ein Promo-Team angesprochen. John, der damals viel über den «gläsernen Menschen» nachdachte, hat sich als «Erkan Friedmann» fürs Abenteuer-Team beworben, weil er wissen wollte, wer ihm künftig unter diesem Namen Werbung zusenden würde. Als dann der Antwortbrief von Marlboro kam und an seiner WG-Tür klebte, hatte er seinen Spitznamen «Erkan» weg. Unge­fähr zur gleichen Zeit wurde ich in Regensburg Ohrenzeuge, wie ein Perser und ein Deutsch-Türke in der «Kanak Sprak» vergnüglich Strafrechtsfragen besprachen und sich dabei lauter komplizierte Fachbegriffe um die Ohren hauten. Danach haben John und ich angefangen, auch so miteinander zu sprechen –, «das interessierte mich krass peripher» – und weil wir zufällig jemanden beim Radio-Lokalsender Energy kannten, landeten wir mit der «Erkan-und-Stefan-Nummer» irgendwann im Studio.

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Fotos: © Wolfgang Schmidt | www.wolfgang-schmidt-foto.de | Durch die Bildergalerie geht's per Klick auf die Klammern

RL | Warum eigentlich «Stefan»? Ein Typ mit einem offensichtlich urdeutschen Namen, der wie die «Sons of Gastarbeita» redet?
FS | Das war uns wichtig. Wir wollten nicht mit den Fingern auf die anderen zeigen, auf Erkan und Ali! Schließlich integrieren sich auch deutsche Jungs in den Ghetto-Stadtteilen über die Sprache in der ausländischen Mehrheit. Die Deutschen sollten mit in die Verant­wortung gezogen werden. Außerdem wollten wir der Community, die wir damit repräsentierten, sympathisch bleiben. Es sollte vorstellbar sein, dass wir aus ihrer Mitte kommen.

RL | Was umso wichtiger wurde, als Sie das Hörfunkstudio mit der Bühne tauschten. Wie fühlte sich das an, aus der Unsichtbarkeit ins Rampenlicht zu treten?
FS | Für mich persönlich? Vor dem Auftritt grauenvoll! Ich bin bis heute ein Lampenfiebermensch geblieben. Sobald ich rausgehe, kehrt sich das allerdings total um. Schon damals stand ich mit großem Vergnügen dort oben – vor allem, weil ich nicht allein spielte. Du hast einen anderen im Visier, der Dinge macht, auf die du spontan reagieren musst. Wenn man sich gegenseitig weiterpeitscht und die Pointen um die Ohren haut – das spürt auch das Publikum und geht mit.

RL | Vom Studentenulk bis zum ersten Spielfilm vergingen nur wenige Jahre – das klingt nach Zielstrebigkeit und Ehrgeiz.
FS | Na ja, eigentlich musste man uns manchmal ziemlich anschieben. Die Filmidee ging von einer jungen Produktionsfirma aus, die uns eine Zeit lang hartnäckig bearbeitet hat. Wir wollten aber erst unser Studium zu Ende bringen. Natürlich war das dann eine große Sache, umso mehr, als sie uns schließlich Bully Herbig als Regisseur vorgeschlagen haben, dessen liebevoll und perfekt inszenierte Sketche wir natürlich kannten. Es war sein erster Langfilm! Direkt danach drehte er den Schuh des Manitou und hatte dann keine Zeit mehr für unseren zweiten Kinofilm.

RL | Zu dieser Zeit waren Sie auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere, haben regelmäßig Säle mit über tausend Plätzen gefüllt und waren sogar für den Deutschen Fernsehpreis nominiert …
FS | … mit den beiden Pro7-Staffeln von Headnut-TV. Dieses Interviewformat war sicher das Beste, was Erkan und Stefan überhaupt gemacht haben. Allerdings war damals das Ende nicht mehr weit. Während nämlich der zweite Film wirtschaftlich noch halbwegs funktionierte, war der dritte, den wir selbst produziert hatten, ein Fiasko. Als wir dann auch noch durch die Presse buchstäblich auseinandergeschrieben wurden, überschlugen sich die Ereignisse.

RL | Das klingt nach dem Plot für eine Tragikomödie – was war los?
FS | Unsere privaten Identitäten hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch kaum bekannt gemacht. Eines Tages war John – ohne Erkan-Trainingsanzug – allein unterwegs und wurde von einem Journalisten erkannt. Auf sein Outfit und auf Stefan angesprochen, hat er so etwas gesagt wie: «Wir sehen privat anders aus, heißen auch anders. Außerdem muss ich doch nicht immer mit Florian unterwegs sein, wir gehen schließlich auch unsere eigenen Wege.» Am nächsten Morgen bekam ich einen Anruf von RTL Exklusiv – ob ich über die Trennung sprechen wollte?! Wir sind aus allen Wolken gefallen und haben mit zwei Pressekonferenzen und einem Interview in der Süddeutschen versucht, die Sache richtigzustellen. Vergeblich – die Leute schickten massenweise ihre Tournee-Tickets zurück.

RL | Only bad news are good news!
FS | Genau! Die Sensation einer solchen Trennung war natürlich viel spannender, als ein differenzierter Bericht über zwei Comedians, die nicht mit ihren Kunstfiguren identifiziert werden wollten. Natürlich haben wir selbst auch dazu beigetragen, indem wir die Figuren so hermetisch abgeriegelt hatten.

RL | Keine guten Perspektiven, wenn die wirtschaftlichen Grund­lagen des Lebens von heute auf morgen wegbrechen!
FS | Stefan und Erkan wurden gezwungen, den Laden dicht zu machen – und Florian Simbeck musste sich ganz neu etablieren. Ein Weg, der ohne das Defizit aus dem dritten Film zwar mühsam, aber nicht aussichtslos gewesen wäre. So schob ich, inzwischen zwei­facher Familienvater, ein paar Jahre lang Schulden vor mir her, die kaum zu stemmen waren. Erst die Insolvenz, zu der mich das Finanzamt «entschlossen» hatte, schuf dann klare Verhältnisse. Jetzt ist mein Einkommen gedeckelt und mehr als die Hälfte der geschuldeten Summe bereits abgetragen.

RL | Was wurde dann aus dem Künstler Florian Simbeck?
FS | Ich wollte als Schauspieler arbeiten, habe etliche kleine Rollen bekommen – in Serien, auch bei Aktenzeichen XY, wo inzwischen mit guten Regisseuren und professionellen Darstellern gedreht wird. Die Leute sollten sehen, dass ich arbeite und als Schauspieler zu haben bin. Nach und nach kam auch wieder Comedy dazu, kurze Auftritte auf offenen Bühnen, kleine Sachen, die allmählich zu einem anderthalbstündigen Programm zusammenwuchsen.

RL | Wie war das auf der Bühne ohne den Partner und ohne die Kunstfigur «Stefan», die Ihnen zwar enge darstellerische Grenzen zog, aber dadurch sicherlich auch eine gewisse Souveränität verliehen hat?
FS | Eine Figur zu schaffen ist relativ einfach. Ich habe das auch mit meiner Hansi-Hinterseer-Parodie erlebt. Die richtige Perücke, die richtige Verkleidung – das Publikum weiß sofort, was los ist. Mir macht das unheimlich viel Spaß, aber eigentlich will ich ohne Kostüm auf die Bühne gehen und die Leute trotzdem anderthalb Stunden am Lachen halten können. Das war anfangs wirklich harte Arbeit. Ich lag bei mir selber auf der Couch und habe an der Oberfläche gekratzt, um zu gucken was da­runter zum Vorschein kommt, was ich davon auf die Bühne bringen möchte und was die Leute interessiert!

RL | Inzwischen scheint wieder sehr viel mehr Stabilität in Ihre Arbeit gekommen zu sein. Der Bayerische Rundfunk hat Sie unter Vertrag, der Privatsender AXN hat mit Ihnen zusammen das preisgekrönte Format AXN-Reporter entwickelt, in Burghausen moderieren Sie Ihre eigene Live-Comedy-Show.
FS | Dass ich nun im dritten Jahr Ensemblemitglied in der bayerischen Comedy-Sendung «Die Komiker» bin, ist in mehr als einer Hinsicht ein Glücksfall. Live-Sketche vor Studiopublikum, Filmsketche und Stand-Up-Elemente – das ist genau meine Mischung. Außerdem arbeiten wir im Team und haben eine gute Redaktion – viele kluge Köpfe, die mitdenken und mitentscheiden. Ich kann mich dadurch auch mal fallen lassen, ohne dass alles zusammenbricht. Dagegen war meine Arbeit als AXN-Reporter wieder eine ganz neue Heraus­forderung. Mit provokativen Fragen den roten Teppich zu stürmen, Fassaden laufen und Bungee Jumping – das war buchstäblich immer wieder ein Sprung ins kalte Wasser!

RL | Und für den Bundestag zu kandidieren sicherlich auch?! Mit keiner «Stefan-Mutante» dürften Sie in der Öffentlichkeit mehr Verblüffung ausgelöst haben.
FS | Wahrscheinlich. Aber auch das hat sich, aus der Freundschaft zu einem SPD-Kreisvorsitzenden, mehr oder weniger «von selbst» ergeben. Ich war nie Parteimensch, aber es passte vieles zusammen. Natürlich war klar, dass ich keinen Listenplatz kriegen und das Direktmandat an den CSU-Kandidaten gehen würde. Aber wir haben einen pfiffigen Wahlkampf gemacht und viele Menschen erreicht – der Stimmenzuwachs in meinem Wahlkreis war einer der besten in ganz Bayern. Jetzt sitze ich, als Quasi-Ehrenamtler, im Kreistag und arbeite mich rein – mal sehen was da noch kommt.

RL | Es bleibt bunt in Florian Simbecks Biographie – und anstrengend!
FS | Nur für mich könnte ich auch einen Surfbrettverleih aufmachen und die halbe Zeit lesen. Aber wenn du Familie hast, Verantwortung übernimmst und dich um deine Sachen selber kümmern musst, bleibt das Strampeln nicht aus – oder? Es ist wie beim Schwimmen. Da liege ich am liebsten im Wasser und spiele «toter Mann», aber wenn meine Kinder mich dann entern, muss ich ganz schön Wasser treten, sonst gehen wir alle unter – das ist es eigentlich ...