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Ylva Karlsson

Prinzen müssen draußen bleiben

Nr 194 | Februar 2016

gelesen von Simone Lambert

Josefin ist vierzehn und die große Schwester der sechsjährigen Malin – beide wachsen bei ihrer geschiedenen Mutter Anna auf. Anna, die Sonne im Leben ihrer Töchter, hat einen neuen Freund: Göran, der mittlerweile oft zu Gast ist. Josefin duldet ihn, doch für sie ist Göran ein ungebetener Eindringling, der von ihr nichts erwarten kann. Malin lässt sich in ihrer Meinung von der großen Schwester beeinflussen. Und Josefin benutzt diese Macht auch. Malin liebt Josefins Märchen vom Schloss auf einer abgelegenen Insel, in dem Königin Anna und die Prinzessinnen Josefin und Malin leben. Hier haben Prinzen keinen Zutritt; sie werden vom Seemonster bei Anreise unverzüglich und zuverlässig verschlungen.
Es ist der Jahreswechsel, Josefin gibt Göran einen Geschenktipp für Anna, weil sie das schöne rote Kleid selbst nicht bezahlen kann. Karlsson arbeitet subtil mit Symbolik: Rot als Farbe der (erotischen) Liebe. Josefin kann der Mutter dieses Geschenk nicht geben, aber sie kann dafür sorgen, dass sie es bekommt. Weihnachten als Zeit der Familie, deren Grundkonstellation schwankt, Winter als Zeit der Erstarrung, Neujahr als Beginn – es ist eine Phase, in der sich Josefins Leben neu ordnet.
Auch in der Schule entsteht Unruhe, denn Vanna, die keiner so recht mag, sucht Josefins Freundschaft. Vanna verweigert die Anpassung und fordert, ohne selbst etwas zu geben. Josefin erkennt sich in ihrem Verhalten gegenüber Göran in Vanna wieder.
Als ein neuer Mitschüler sich in Josefin verliebt¸ ist sie geschmeichelt, denn Stefan macht ihr Komplimente und schreibt ihr Gedichte, aber sie ist auch hilflos. Josefin erträumt sich zwar einen Freund, erträumt sich auch Berührungen, aber die Vorstellung von konkreter Intimität weckt Ekel und Furcht in ihr. Plötzlich ist es schwierig zu mögen, dass man gemocht wird. Sie muss ihren Mut zusammennehmen, um ihm zu sagen, dass sie nicht will.
Und dann eröffnen Anna und Göran den Mädchen, dass sie heiraten werden, weil ein Kind unterwegs ist. Josefin reagiert bewusst verletzend für ihre Mutter.
Josefins Leben verändert sich und sie reagiert mit starken Gefühlen. Das freundliche, offene Mädchen durchlebt Wut und Zuneigung, Sehnsucht und Trauer. Das Märchen vom Insel­dasein, in dem sie Schutz, Wärme und Liebe findet, erweist sich als nicht realitätstauglich, und in der Außenwelt sind Zuneigung und Freundlichkeit plötzlich mit Verantwortung verbunden. Liebe ist nicht kontrollierbar, sie verursacht Störungen, fordert heraus. Wie verhält man sich dann? Die Antworten muss sich das Mädchen erarbeiten und reift dabei als Persönlichkeit. Doch erst als sie den Schmerz ihrer Mutter begreift, kann sie sich der neuen Situation öffnen. Und Malin eine andere Version ihres Märchens erzählen …

Ylva Karlsson schreibt leicht und still von den einschneidenden Veränderungen in Josefins Leben. Ihre klaren Sätze bergen eine Tiefe und einen Raum, in dem all die großen Gefühle Platz haben, um die es hier geht. Nach Sei kein Frosch, Malin! wird mit Prinzen müssen draußen bleiben ein weiterer Roman der Schwedin Ylva Karlsson in der kongenialen Übersetzung von Birgitta Kicherer veröffentlicht. Diesmal steht nicht Malin im Zentrum, sondern das Erleben ihrer älteren Schwester Josefin. Man kann nur hoffen, dass weitere bald in Deutschland erscheinen.