«Eigentlich habe ich für alle anderen immer Verständnis, aber mit mir selbst gehe ich oft sehr lieblos um …» Solche Bemerkungen höre ich immer wieder von Patienten. Den meisten Menschen ist ja das christliche Grundprinzip «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» wohlbekannt. In dem obigen Zitat findet sich aber nur die Liebe zum Nächsten wieder, die Liebe zu sich selbst ist auf der Strecke geblieben.
Können wir uns aber auch selbst liebevoll gegenübertreten? Können wir uns selbst als Mensch mit Fehlern und Schwächen anerkennen? Können wir anerkennen, dass ein jeder von uns sich auf einem Entwicklungsweg befindet? Und sind wir so, wie wir sind, geliebt?
In einer indischen Legende wird erzählt, vor langer Zeit hätten die Götter überlegt, dass es von Nachteil wäre, wenn die Menschen die Weisheit des Universums finden würden, bevor sie tatsächlich reif genug dafür wären. Also entschieden die Götter, die Weisheit des Universums an einem Ort zu verstecken, wo die Menschen sie so lange nicht finden würden, bis sie reif genug sein würden.
Einer der Götter schlug vor, die Weisheit auf dem höchsten Berg der Erde zu verstecken. Aber schnell erkannten die Götter, dass der Mensch bald alle Berge erklimmen würde und die Weisheit dort nicht sicher genug versteckt wäre. Ein anderer schlug vor, die Weisheit an der tiefsten Stelle im Meer zu verstecken. Aber auch dort sahen die Götter die Gefahr, dass die Menschen die Weisheit zu früh finden würden.
Dann äußerte der weiseste aller Götter seinen Vorschlag:
«Ich weiß, was zu tun ist. Lasst uns die Weisheit des Universums im Menschen selbst verstecken. Er wird dort erst dann danach suchen, wenn er reif genug ist, denn er muss dazu den Weg in sein Inneres gehen.»
Die anderen Götter waren von dieser Idee begeistert, und so versteckten sie die Weisheit des Universums im Menschen selbst.
Wir alle sind mit dem Potenzial begabt, unsere eigenen Gedanken zu beobachten und erkennen zu können, welche Qualität, Lichtkraft und Energie aus diesen Gedanken herausströmen. Beispielsweise können wir fühlen, ob ein Gedanke stimmig oder ob er «schräg» ist und «knirscht». Gedanken können licht oder dunkel sein, positiv oder negativ, wirklichkeitsgemäß oder ohne einen Bezug zur Wirklichkeit, das heißt zu den Entwicklungsmöglichkeiten des Lebens.
Die Verwirklichung unserer Selbstliebe hängt zu einem nicht kleinen Teil auch mit unserem Zeitmanagement zusammen. Es ist vor allem wichtig, dass wir uns Zeit dafür nehmen, zu klären, was uns wirklich wesentlich ist. Dass wir danach streben, immer mehr die Menschen und Dinge im Leben um uns zu haben, die uns in liebevoller Zuwendung mit dem Leben verbinden. Manchmal kann es sein, dass wir uns in eine bestimmte Sache hineinverbissen haben. Dann ist es meist so, dass wir meinen, für diese Sache gäbe es nur einen Weg. Dann fällt es uns schwer, loszulassen, weil wir von dem «So muss es sein!» oder «Ich muss gewinnen!» nicht frei werden. Dann merken wir oft gar nicht, dass wir uns selbst dabei völlig aus den Augen verloren haben.
Die Selbstliebe dagegen eröffnet uns das Tor zur Selbstwahrnehmung, Selbstannahme und Selbsterkenntnis. Diese wiederum sind die Voraussetzung dafür, dass wir uns entscheiden können, wer wir aus der Mitte unseres Herzens heraus sein wollen. Und nur wenn uns dies gelingt, werden wir in der Lage sein, die versteckte Weisheit des Universums in uns zu finden.