Robert Palfrader im Gespräch mit Maria A. Kafitz

Konfrontation und Harmonie

Nr 213 | September 2017

Schon kurz nach dem Betreten der Gaststätte «Faun», in der wir uns zum Gespräch treffen, hat Robert Palfrader alle Anwesenden für sich gewonnen: den Hund eines Gastes, den der Hundenarr zur Begrüßung erst einmal freudig krault, und mit Wiener Charme und als ehemaliger Gastwirt, heutiger Kabarettist und Schauspieler um keinen Kommentar verlegen auch das Personal und die anderen Gäste. Ob als Robert Heinrich I. in «Wir sind Kaiser», als Bürgermeister Gerhard Tschach im grandiosen Mehrteiler «Braunschlag» von David Schalko, in «Bösterreich» von und mit Nicholas Ofczarek oder auf der Kabarettbühne zusammen mit Florian Scheuba und Thomas Maurer in «Wir Staatskünstler» – Robert Palfrader ist in seinen Rollen und Programmen gerne extrem, bissig und im positiven Sinne verrückt; jenseits von Bühne und Kameras ist er zudem überaus liebenswürdig und aufmerksam, was Hund, Personal, Gäste und Gesprächspartnerin an diesem Nachmittag in München genießen konnten.

Maria A. Kafitz | Lieber Robert Palfrader, ich freue mich sehr, dass wir uns doch noch zu einem Interview treffen, auch wenn Sie ungern welche geben. Was führt Sie denn nach München, wo doch Wien Ihr eigentliches Zuhause ist?
Robert Palfrader | Das bisschen, das ich zu sagen habe, sage ich tatsächlich lieber in meinen Sendungen oder auf der Bühne. In München bin ich immer mal wieder – heute als Gast in der Sendung Ringlstetter. Und ich kann Freunde treffen, worüber ich sehr glücklich bin. Ich habe hier schon Kino- und TV-Filme gedreht, da habe ich ein paar Freundschaften «aufgerissen», die sind mir wichtig. Ich kenne zum Beispiel die Sportfreunde Stiller seit über 18 Jahren – und wenn ich die treffen kann, ist es eine schöne Abwechslung.

MAK | Sie haben ja zudem im Münchner Lustspielhaus mit Florian Scheuba Flügel gespielt, was für Oliver Hochkeppel von der Süddeutschen Zeitung ein «saulustiges, gemeines und sogar tiefschürfendes Gustostückerl zweier Rampensäue, wie man sie so wohl nur in Österreich findet», war und das Publikum zu Ovationen hinriss. Ich kann ihm da nur zustimmen. Wer Sie auf der Bühne erlebt hat, merkt, dass Sie das Spielen überaus mögen.
RP | Ja, ich liebe die Bühne, weil man die Energie des Publikums spürt. Deswegen liebe ich es, Theater zu spielen, deswegen liebe ich es, Kabarett zu spielen – und es ist eine ganz andere Arbeit, als vor der Filmkamera zu stehen oder Talkshows zu machen. Wenn ich die Reaktionen hautnah mitbekomme, dann geht’s mir gut, dann macht’s mir Spaß.

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Fotos: © Wolfgang Schmidt | www.wolfgang-schmidt-foto.de | Durch die Bildergalerie geht's per Klick auf die Klammern

MAK | Besteht denn in Deutschland die Chance, Sie auf der Theater- oder Kabarettbühne zu sehen, vielleicht auch jenseits von München?
RP | Auf der Theaterbühne wahrscheinlich nicht, aber was die Deutschen nördlich von München werden erleben können, ist ein Kabarettprogramm. Ich schreibe gerade an einem Soloprogramm, das den passenden Titel Allein haben wird. In dem mache ich mir Gedanken über Mannigfaltiges – zum Beispiel, ob wir denn einen freien Willen haben. Dann werde ich mir recht viele Gedanken über Religion machen, viele Gedanken über Zufälle und außerdem sehr viele Gedanken über mich selbst und meine Herkunft. Premiere ist am 17. Januar 2018 im Theater Rabenhof in Wien.

MAK | Apropos Herkunft – wie kommt man denn als beliebter Wirt, der Sie waren, auf die Bühne, ins Fernsehen und wird zu einem der Stars in Österreich und über die Landesgrenzen hinaus?
RP | Ich wollte das schon immer: Bühne und Kameras. Bereits mit sieben Jahren wusste ich, dass ich da hin will. Ich hatte jedoch keinen blassen Schimmer, ob man mich überhaupt braucht, ob ich das Talent habe und wie ich das erreiche. Ich komme aber aus einer Hoteliersfamilie – mein Großvater war Hotelier, zuerst in Südtirol, dann in Österreich. Väterlicherseits bin ich Südtiroler, Ladiner, Rätoromaner. Palfrader ist die unter Joseph II. germanisierte Form des rätoromanischen Namens De Peraforada, was so viel heißt wie «Stein mit Loch» oder «Loch im Stein». Es ist ein Grenzstein damit gemeint, den haben meine Vorfahren am Hof aufgestellt, als die bayerische Besiedelung von Südtirol be­gonnen hat. Unser Hof war quasi der erste ladinische respektive der letzte – je nachdem, von wo aus man schaut. Übrigens: die meisten italienischen Skiläufer in der Abfahrt sind Ladiner. Also, die «Verrückten» sind Ladiner. Das gilt wohl nicht nur für den Sport.

MAK | Nicht nur die Neigung zum Gastgewerbe ist demnach «genetisch»?
RP | Könnte man so sagen. Meine Familie besitzt immer noch ein Haus in Südtirol mit einem Café. Außerdem war mein Onkel, Robert Palfrader sen., Direktor im Hotel Sacher, und meine Tante hatte eine 4-Sterne-Pension. Und dann kam auch noch die Sozialisierung von der mütterlichen Seite dazu: Meine Großmutter hatte ein großes Wirtshaus, meine Mutter einen Würstel­stand betrieben. Dieser war eine Institution in Wien, ein Hotspot – vom Generalmanager bis zum Straßenkehrer kamen alle, weil es dort die beste Wurst gab. Bei der Familie habe ich mir auch irgendwann mal eingebildet, ein Kaffee- oder Wirtshaus besitzen zu müssen und mir mit 22 Jahren von einer winzigen Erbschaft und einem riesengroßen Kredit eines gekauft, das ich zweieinhalb Jahre lang recht erfolgreich betrieben habe.

MAK | Und wie ging’s nun vom Tresen auf die Bühne?
RP | Das hat sich zufällig ergeben – es waren sehr viele Medienleute, Musiker, Kabarettisten und Moderatoren Stammgäste bei mir. Der Tresen war meine Probebühne, aber irgendwann hatte sich der Reiz für mich erschöpft, es war auch zu anstrengend. Ich habe das Café verkauft und bei einer deutschen Fernseh­produktionsfirma angefangen. Ich war 25 und habe ein Casting für eine Show gemacht. Das Casting war zwar nicht erfolgreich, weil ich ihnen zu extrem und zu bissig war, der Chefin aber habe ich gefallen. Zuerst sollte ich nur für zwei Wochen Urlaubsvertretung machen – dann bin ich zwei Jahre dort geblieben und habe anschließend noch in Köln hinter der Kamera gearbeitet. Ich habe das Geschäft von der Pieke auf gelernt, denn ich habe mit Kaffee­kochen angefangen.

MAK | Wahrscheinlich ist das Wissen über die Arbeit und Mühe hinter der Kamera gar nicht schlecht, wenn man später davor agiert, denn so gewinnt und bewahrt man sich mehr Achtung vor den Anweisungen …
RP | … «Anweisungen» finde ich immer problematisch, egal ob vor oder hinter der Kamera. Nennen wir es lieber «Anregungen». Ich habe vor dem Handwerk Respekt bekommen und weiß, welcher Aufwand dahintersteckt. Bevor ich vor die Kamera kam, habe ich viel dazwischen gemacht: in der Werbebranche gearbeitet, war Radiomoderator, dann Produktionsleiter in einer Produktionsfirma. Aus der Werbe­agentur bin ich schließlich von Oliver Baier – eine Größe bei uns in Österreich – quasi aus meinem Büro raus engagiert worden für eine Sendung mit der versteckten Kamera. Zuerst wollte ich das gar nicht; zum einen ist mein Sohn damals gerade auf die Welt gekommen, zum anderen habe ich in der Werbeagentur sehr gut verdient, und dann fragt man sich schon: Kann man eine Familie davon ernähren, lustig zu sein?

MAK | Welche Qualitäten, welche Charakter­eigenschaften braucht man denn dafür?
RP | Ich zitiere jetzt einen lieben Freund von mir, der mich seit der Kindheit kennt. Er hat gemeint: «Es ist unerträglich zuzusehen, dass du jetzt erfolgreich machst, womit du uns die letzten 20 Jahre am A… gegangen bist.» Ich habe auch hinter der Bar, als ich noch Wirt war, versucht, mit so wenig Worten wie möglich so viele Leute wie möglich zu beleidigen oder aus dem Konzept zu bringen – natürlich mit einem Augenzwinkern. Ich war nicht bös­artig, aber sicher war niemand vor mir.

MAK | Dann ist es ja konsequent, dass Sie mit Rudi Roubinek eine Figur erfunden haben, die von mehr oder minder allen geliebt wird, aber im Grunde alles andere als ein Sympathieträger ist: Robert Heinrich I. aus der Sendung Wir sind Kaiser hat in Österreich Kultstatus.
RP | Es gibt auch eine überraschend große Fangemeinde in Deutsch­land und in der Schweiz – ich bekomme fast jeden Tag Post. Ich habe den angenehmsten Job der Welt, wenn ich dort auf dem Thron sitze, denn diese Figur, die gleichzeitig Kaiser und Hofnarr in einer Person ist, darf aussprechen, was sonst niemand aussprechen darf.

MAK | Und scheinbar alle – ob Schauspielerin oder Politiker – wollen zum Kaiser, auch wenn klar ist, dass die Audienz kein Zuckerschlecken zu PR-Zwecken ist. Wie kommt das?
RP | In der Werbung redet man von «positivem Imagetransfer», d.h. wenn sich jemand dieser Aufgabe stellt und gut aussteigt, dann besteht die Möglichkeit – wenn man klug ist, wenn man nicht versucht, seine politische Agenda zu propagieren oder witziger zu sein als die Kunstfigur, was schlicht nicht geht ?, als sympathischer Mensch hervorzugehen. Das zu erreichen kostet normalerweise wahnsinnig viel Geld. Ich verehre Noam Chomsky – und der sagte, dass Bekanntheit die neue Währung in unserer Gesellschaft ist. Geld ist irrelevant. Wenn ich also als sympathischer Mensch rezipiert werde, und das vor einem Publikum von rund 700.000 Leuten, dann habe ich etwas richtig gemacht und kann davon profitieren.

MAK | Ihr Schauspielkollege und Freund Nicholas Ofczarek, mit dem Sie schon viel zu­­sammen­gearbeitet haben, hat Sie einmal folgendermaßen charakterisiert: Sie seien harmonie­süchtig mit ADS. Finden Sie sich darin wieder?
RP | Das ist eine überraschend präzise Formulierung, hätte ich ihm gar nicht zugetraut (lacht). Es stimmt schon. Harmoniesüchtig stimmt aber nicht ganz, denn dafür meide ich Konflikte mit Menschen, von denen ich nichts halte, zu selten. Ich mag die Konfrontation, die ist mir durchaus wichtig; auch deutlich meine Meinung zu sagen gehört zu mir – sonst hätte ich zur Schauspielerei wohl kaum auch die Kabarettbühne gesucht. Ein Schauspieler bekommt in der Schauspielschule ja schon gelehrt: Schau, was der Text mit dir macht. Welche Gefühle hast du? Die Arbeit eines Kabarettisten und Satirikers ist aber genau das Gegenteil! Wir schauen: Wie geht es der Gesellschaft? Nicht: Wie geht es uns?Wir sind uninteressant. Wir machen uns über das, was wir sehen, lustig, weil wir es kritisch hinterfragen. In Wien ist ja Kabarett eine Kunstform. Ich bin zwar kein Künstler, aber ich habe meine Ansprüche; ich bin auch kein Intellektueller, aber ich mache mir meine Gedanken.

MAK | Gibt es denn Orte oder Tätigkeiten, die Sie aufsuchen oder ausüben, wenn’s ans Gedanken­machen geht, oder die Ihnen jene Ruhe schenken, die man braucht, um wieder aufdrehen zu können?
RP | Ja, meine Werkstatt! Ich bin leidenschaftlicher Hobbytischler. Ich liebe das Arbeiten mit Holz und freue mich immer, wenn meine Frau irgendetwas braucht oder will, das ich in der Werkstatt zimmern kann. Ich wäre eigentlich sehr gerne Tischler geworden, meine Eltern haben es mir aber nicht erlaubt, weil mein Vater unbedingt wollte, dass ich studiere, weil er selbst nicht durfte – die Auswirkungen des Krieges haben’s ihm nicht ermöglicht. Er hätte so gern Medizin studiert und ist dann Metzger geworden, was ich sehr lustig gefunden habe. Die Werkstatt brauche ich auch, um mal das Gehirn auf Leerlauf schicken zu können. Wobei das nicht ganz stimmt, man muss nämlich wirklich konzentriert sein beim Arbeiten mit Holz. Holz verzeiht sehr, sehr viel, aber nicht, wenn man nicht denkt. Es müsste heute insgesamt vielleicht wieder etwas mehr mit Holz gearbeitet werden …