Christa Ludwig

So what!

Nr 226 | Oktober 2018

Da will man sich nur entspannen/bisschen was lesen in neuen Romanen/Pause mit gut geschriebenen Texten/aber das geht nicht, man muss jetzt relaxen/und gegen den eigenen sprachlichen Willen/kann ich nicht ruhen, ich muss jetzt chillen/Ich fläze mich im Casusal Wear/schlürfe ein Glas grünen Smoothie leer/das Buch ist kein Thriller/es gibt keine Killer/aber die Story okay, ein well-made Plot/echter Pageturner, also so what?
Es waren Kritiken davon in der FAZ/ der ZEIT, der Süddeutschen und der TAZ/hab ich alle gelesen, auch die der FR/sie machen dem Autor das Leben schwer:/based on a true story, daraus werden mitnichten/die literarisch guten Geschichten/zu simple-minded und straight erzählt/S.K. hat sich durch die Seiten gequält/D.S. vermisst den richtigen Drive/ doch U.M. meint: Such is Life/Das Setting sei crazy, habe move und sei flott/man kann es genießen, also: So what?
Aber vergiftet wird mir der Genuss/in diesem Buch von Anfang bis Schluss/gibt es kein einziges deutsches Gefühl/nur German Angst und davon zu viel/da ist man down, happy und blue/crazy, mad, silly und immerzu true/ab in den Müll mit dem englischen Schrott/da ist nichts touching, alles so what.
Doch leider: Das ist Reality Show!/ Warum the hell ist das jetzt so?/Der deutschen Sprache schlägt die Stunde/English erschlägt sie, sie geht vor die Hunde/man nennt heute Models und das waren/noch gut deutsch Mannequins vor ein paar Jahren/ und sagt man heut sorry oder so long/so hieß das mal urdeutsch adieu und pardon/ darum hab ich mal meine erwachsenen Jungen/energisch zum Deutsch sprechen gezwungen/ich rief sie auf zum English-Boykott/«Man versteht’s doch», sagt einer, «also: so what?»
Aber es sagte ein anderer Sohn/nicht am Handy, durchaus am Telefon:/«Mein Diener», sprach er, «hat einen Schaden/ich kann nicht rauf- und nicht runterladen/ oder die Feuerwand lässt nichts mehr rein/das Mutterbrett kann es wirklich nicht sein/und die drahtlose regionale Netz­arbeit/ist offenbar auch nicht funktions­bereit/ich kann sie nicht nutzen/und folglich nicht im Netz herumrutschen.»/«Halt, ich kapier nichts», schrie ich, «stop it, mein Gott!»/«Du hast es gewollt», sagt er, «so what?»
Bullshit, man kann das nicht bestreiten/wir walken, joggen, bouldern, biken/ aber ist mögen dasselbe wie liken?/Werden wir ein neues Befinden/nur, weil es das Wort gibt, für uns erfinden?/Was war zuerst? Ding oder Wort?/Gab es den Sport schon vor dem Wort Sport?/Gilt es auch hier: im Anfang das Wort?/Waren wir high vor dem Wort high?/Was ist das Huhn?
Was ist das Ei?/Sind wir längst Blasen im sprachlichen Brei?/Sind Anglizismen der Urschleim, aus dem/neue Befindlichkeiten entstehn?/Gab es schon immer Gefühle der Art/die wir jetzt nennen soft, tough, down und smart?/Fest steht, dass nun beim Schwimmen im Pool/nicht nur das Wasser ist angenehm cool/So cool – da packt mich das Frieren:/Wir werden dabei auch etwas verlieren!/Denn ein Song ist ein Song, ein Song ist kein Lied/ein Brief ist ein Brief, kein Mail und kein Tweet/wo ist jetzt der Brief und wo ist das Lied?/Lost und gone im Sprachgemansch-Trott?/Was das Rechtschreibprogramm von Word nicht moniert/ ist Small Talk im Alltag und längst etabliert/ es ist, wie es ist, also: So What!

Warum ist das so?
Warum, will ich wissen?
Sag mir warum!
Give me one good reason.