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Astrid Frank

Uli Unsichtbar

Nr 226 | Oktober 2018

gelesen von Simone Lambert

Uli zieht mit seinen Eltern um, weil sein Vater eine neue Arbeit gefunden hat. Im neuen Haus lernt Uli die Nachbarskinder Petra und Niki kennen und freundet sich mit ihnen an. Natürlich ist er aufgeregt vor dem ersten Schultag. Als er vor der neuen Klasse steht, bringt er seinen Namen nicht heraus, stottert nur ein «Uhu». Dieser Uhu bleibt an ihm hängen. Er gilt in der neuen Klasse als komischer Kauz. Uli sagt nichts mehr, er traut sich nicht, es ist, als wäre er gar nicht da. Die Situation fährt sich fest, selbst seine neuen Freunde klingeln nicht mehr bei ihm, er wird zum Außenseiter. Nur der Uhu, der ihm in der Schule erscheint, sieht ihn noch an.
Irgendwann will auch Uli nicht mehr mit den Nachbarskindern spielen, weil er sich dann wie Uhu fühlt, nicht mehr wie Uli. Was ihn natürlich noch mehr isoliert.
Die Situation ändert sich erst, als eine neue Mitschülerin dazu stößt: Uli heißt auch sie. Uli ist ein selbstbewusstes Mädchen, das sich mit Uli anfreundet und, als er verspottet wird, vor der Klasse ein mitreißendes Plädoyer für Toleranz hält und ihren Freund in Schutz nimmt. Und Ulis Uhu verschwindet.
Uli ist ein Skeptiker, der alles erst prüfen und vermessen muss, bevor er sich freut und vertraut. Seine Eltern wissen das und gehen freundlich damit um. Uli sucht, mit kind­licher Pedanterie, die absoluten Werte. Die relative Einteilung in links und rechts zum Beispiel macht ihm Probleme. Dafür hat er ein inniges Verhältnis zu Zahlen. «Zahlen sind zuverlässig. Deshalb mag Uli sie.» Uli zählt die Fenster am Haus und die Schritte bis zum Freibad. Die Nachbarskinder Petra und Niki wundern sich, dass er auf dem Weg dahin stehenbleibt, wenn er spricht, aber sprechen und Schritte zählen gleichzeitig kann Uli nicht. Wir erfahren genau, wie viele Schritte welcher Weg hat und welchen Bonbon er als nächstes isst. Uli ist präzise, dagegen ist seine Vorstellungskraft wenig ausgeprägt. So staunt er über die «Fellkartoffeln», von denen Petra spricht, und merkt nicht, dass sie ein Produkt ihres Sprachfehlers sind.

Astrid Frank hat sich in ihren mehrfach ausgezeichneten Büchern Unsichtbare Wunden oder Enno Anders wiederholt mit dem Thema Außenseitertum und Mobbing beschäftigt. Sie hat einen genauen Sinn für den Konflikt eines Kindes mit der Außenwelt und kann auch die Folgen exakt herleiten und beschreiben. In Uli Unsichtbar geht es um einen kleinen Jungen, der Schwierigkeiten hat, sich in seine neue Klasse zu integrieren. Die Erzählerin folgt dabei konsequent Ulis Sicht. Astrid Franks vorherige Bücher schließen mit ungelösten Konflikten, in Uli Unsichtbar dagegen wird mit den Unterschieden – die die Konflikte veranlagen – am Ende Freundschaft geschlossen: Angestoßen von Ulis Rede formuliert die Klasse acht Regeln für den Umgang miteinander.
Kommunikation, wie sie zerstört wird und wie sie gelingen kann, ist das zentrale Thema bei Astrid Frank, geradezu ihr Forschungsgebiet. Dieser aufklärerische Impetus, vereint mit erzählerischer Potenz, ist selten geworden unter Kinderbuchautoren.
Glückhaft verbunden ist die Geschichte, wie schon in Enno Anders, mit den Tusche­illustrationen von Regina Kehn. Ihre Zeichnungen treffen das labile Gleichgewicht, in dem sich Uli befindet, und deuten es poetisch. Das Buch ist ein kleiner Schatz für Leseanfänger.