Titelbild Hochformat

Eleanor Ozich

Verändern

Nr 227 | November 2018

Einfachheit. Allein schon das Wort erfüllt einen sogleich mit Ruhe. Dieses Wort hat mich ganz wunderbare Dinge gelehrt – vor allem aber habe ich mit seiner Hilfe die besondere Schönheit der kleinen, alltäglichen Momente entdeckt, die meist nur allzu leicht unerkannt bleiben. Doch diese Momente sind uner­lässlich für das Erreichen von innerer Balance, Klarheit und dem wohligen Gefühl der Zufriedenheit in einer immer hektischer werdenden Welt.
Nach dem Erfolg meiner ersten beiden Bücher My Petite Kitchen Cookbook und My Family Table habe ich ein paar anstrengende Jahre erlebt, so unermüdlich wie unentwegt gearbeitet und dabei die Kleinigkeiten des Alltags, die mir eigentlich wichtiger als alles andere waren, vollkommen aus den Augen verloren. Obwohl mir das, was ich tat, unheimlich viel Freude machte, hatte ich dennoch das Gefühl, in viel zu viele ver­schiedene Richtungen gezogen zu werden. Jeder Tag schien mich noch weiter von dem einfachen Leben zu entfernen, nach dem ich mich im Grunde sehnte.
Es war Zeit, etwas zu verändern, deshalb verließen wir den Lärm und die Hektik der Großstadt und zogen in ein Häuschen aus den 1950er Jahren, das inmitten von ursprünglichem Buschland und Vogelgezwitscher in Titirangi am Rand von Auckland liegt. Hier, an diesem abgeschiedenen Ort, entdeckte ich eine Form des Glücks, wie ich sie zuvor noch nie erlebt hatte. Die Einfachheit und Schönheit, die uns hier umgab, füllten unser Zuhause nach und nach mit ihrem Zauber, ermunterten uns, alle überflüssigen Schichten abzulegen, und ermöglichten uns dadurch, tatsächlich so etwas wie Erfüllung zu finden.
Das Leben ist voller Prüfungen und Hindernisse, und die tagtäglichen Ablenkungen und Herausforderungen können ungemein belastend sein. Wir alle kennen das: Deadlines bei der Arbeit, Rechnungen über Rechnungen, gesundheitliche Probleme, die vielfältigen Aufgaben und Verantwortungen als Eltern. Diese Anforderungen werden von unzähligen Gefühlen begleitet und sorgen allzu leicht dafür, dass wir unsere Mitte verlieren, aus dem Gleichgewicht geraten und uns überlastet fühlen. Stehen auch Sie vielleicht unter dem Druck, ständig nach mehr streben zu müssen? Nach mehr Geld, mehr Besitz, mehr Erfolg, mehr Anerkennung? Auch ich war zunehmend darauf fixiert – endlich! – erfüllt zu fühlen.
Erst jetzt verstehe ich allmählich, dass mit weniger zu leben bedeutet, unterm Strich viel mehr zu bekommen. Beim einfachen Leben geht es nicht darum, dass man herausfindet, mit wie wenig man auskommt,
sondern um die Freude an den Dingen, ohne die man nicht leben kann. Und sobald man sich in diese simplen Dinge verliebt hat, fragt man sich auch schon, warum sie einem noch nie aufgefallen sind. Wenn Sie also das nächste Mal draußen sind, halten Sie einen Moment inne und genießen die Welt um sich herum – den Schatten vor ihren Füßen, die ziehenden Wolken am Himmel, das Rauschen der Blätter im Wind. Nehmen Sie sich die Zeit, den Geschmack einer reifen Pflaume zu genießen oder die grazile Schönheit eines Schmetterlings zu bewundern.
In meinem Buch The Art of Simple beschreibe ich den Ansatz, den meine Familie und ich bei unserem Leben in Einfachheit ver­folgen – einen Ansatz, der sich naturgemäß anpasst und weiterentwickelt, genau wie die Jahreszeiten um uns herum. Zugegebener­maßen war es nicht einfach, das Schreiben mit den Aufgaben, die ich als Mutter von drei Kindern habe, in Einklang zu bringen. Aber ich bin dankbar dafür, dass diese Erfahrung mir so geholfen hat, wie sie hoffentlich auch Ihnen hilft: Jede Geschichte, jede Idee und jedes Rezept hat mich nämlich daran erinnert, wie schön und wertvoll die einfachen Dinge sind.