Walther Streffer

Kommunikationstalente

Nr 232 | April 2019

Tiere sind große Kommunikationstalente, die sich über Laute, Farben, Düfte und Körpersprache verständigen. Erkennungszeichen sind beispielsweise akustische Signale, die dem Anlocken von Geschlechtspartnern, der Revierabgrenzung (Rangkämpfe) und der Abwehr von Feinden dienen und auch zur sozialen Bindung und bei der Brutpflege eingesetzt werden. Mit Lauten kommuni­zieren etwa Grillen, Zikaden, Frösche, Wölfe, Hirsche und in vielfältiger Weise die Vögel. Optische Signale sind ebenfalls weit verbreitet, etwa das stattliche Hirschgeweih oder der mächtige Kopf eines männlichen Löwen, das Zähnefletschen eines Wolfs oder die Farbenpracht der Paradiesvögel – ebenso der faszinierende Tanz der Bienen. Schimpansen lernen gar durch Handzeichensprache mit Menschen zu kommunizieren. Und nicht zu vergessen die bewegte Mimik, also die Ge­bärdensprache, unserer geliebten, vierbeinigen Hausgenossen. Chemische Signale in Form von Lockstoffen (Düften) haben sich besonders bei Säugetieren und Insekten entwickelt.
Unter dem Aspekt der «tierischen Intelligenz» möchte ich mich hier auf die akustische Kommunikation beschränken und von einigen komplexen Lautäußerungen berichten. Im Umgang mit der Stimme scheint es bei Affen, Elefanten und Hunden größere Spielräume als bei anderen Landsäugetieren zu geben: Schopfgibbons verständigen sich in Dialekten miteinander und geben damit ihre Herkunft bekannt; und die Paare kommunizieren im Duett. Meerkatzen zeigten in mehrjährigen Freilandbeobachtungen, dass – ungeachtet der genetischen Verwandtschaft – jene Affen die ähnlichsten Rufe erzeugten, die sozial am engsten miteinander verbunden waren. Sobald sich die sozialen Beziehungen veränderten, hatte das auch Folgen auf die sprachlichen Eigenheiten.
Bei sozial lebenden Säugetieren, be­sonders bei den Affen, erkennen sich die Individuen einer Gruppe an der Stimme, und die Jungtiere eignen sich durch aufmerksames Zuhören das gesamte Repertoire an. Delfine und Wale verfügen über ein großes Stimmrepertoire, das ständig vermehrt und variiert wird. Die Individuen erkennen sich an ihren unterschiedlichen Lauten und Dialekten. Wale bilden komplexe Gesänge aus, mit denen sie sich (wie auch Elefanten) im extrem tiefen Infraschallbereich über größere Entfernungen verständigen können. Fledermäuse kommunizieren dagegen im hohen Ultraschallbereich.
Die akustische Kommunikation der Vögel ist generell sehr vielfältig: Singvogelweibchen erkennen am Gesangsvortrag der Männchen deren Befinden. Rabenvögel rufen sich beim Namen. Eichelhäher warnen laut vor einem Habicht, indem sie dessen Ruf nachahmen. Kolkraben erkennen noch nach Jahren jene Artgenossen an der Stimme, die sie als Jungvögel gekannt haben. Die meisten Lautäußerungen dienen sozialen Kontakten, wobei Freunde in höheren Tonlagen begrüßt werden als Fremde.
Die in den Bergregionen Nordafrikas lebenden Berberaffen sind sehr sozial und zeichnen sich durch ein reichhaltiges Stimmrepertoire aus. Sie warnen – ähnlich wie die zur Familie der Erdhörnchen gehörenden Präriehunde Nordamerikas – akustisch fein differenziert vor Luft- bzw. Bodenfeinden.
Ein Polarfuchs setzte sogar seine Stimme auf sehr gewitzte Art zu seinem Vorteil ein: Er trieb seine Artgenossen durch Alarmrufe in die Flucht. Akustisch täuschte er Feinde vor, um eine Beute für sich allein zu haben.
Kommunikation bei Tieren ist aufgrund der oft hochentwickelten Sinne ein bedeutendes wissenschaftliches Forschungsfeld geworden. Es wäre schön, wenn auch unsere emotionale Anteilnahme entsprechend zunehmen würde.