Einige Dinge tue ich, ohne dabei zu denken. Man könnte auch sagen: Ich mache sie wie im Schlaf, automatisch. Das gilt beispielsweise fürs Laufen. Ich weiß nicht, wie ich das mache, es geschieht vollkommen unbewusst. Ohne dass ich es merke, folge ich einem bestimmten Muster. Eigentlich ganz angenehm, da kann ich währenddessen die Blicke schweifen lassen. Doch wenn ich auf einmal feststelle, dass ich immer etwas krumm gehe und das ändern will, ist es schwierig, mich mit einem veränderten Laufmuster weiterhin so unbewusst zu bewegen. Dann kommt es zu einem Kampf zwischen dem gewohnten Muster und dem Wunsch, mir ein neues anzueignen. Aber wo in mir haben diese beiden Muster eigentlich ihren Platz? Wo sitzen sie?
Oder ich liege morgens im Bett und denke: Jetzt stehe ich auf. Und was passiert? Ich bleibe einfach liegen …
Solche Situationen kennen wir alle, und es lohnt sich, sich mit den Hintergründen zu beschäftigen. Mir geht es in meiner Arbeit um die Erforschung einer «Menschenkunde in der Praxis». Das heißt: um ein Verständnis des Menschen, das helfen kann, mich selbst und andere besser zu verstehen. Besser zu verstehen, wer das eigentlich ist, zu dem wir «ich» sagen. Ein solches Menschenbild kann uns auch zu einer Vorstellung dessen verhelfen, was nach dem Tod geschehen könnte. Heute dominiert die Vorstellung, dass wir als Mensch vor allem das Produkt unserer Erbsubstanz sind. Und dass diese dann durch die Erziehung modifiziert wird. Dieses Menschenbild bietet uns keine Anknüpfungspunkte, konkret über eine geistige Welt oder über ein Leben nach dem Tod nachzudenken. Und dennoch haben viele Menschen mit einer Nahtoderfahrung Erlebnisse damit.
Mir ist im Lauf der Jahre in meiner Arbeit als Therapeut mit vielen verschiedenen Klienten bewusst geworden, dass wir im Grunde ständig in drei verschiedenen Welten leben.
Der erste Bereich ist der, der mit allem Materiellen zu tun hat, das uns umgibt. Der zweite ist eine manchmal verwirrende Welt: die Welt in uns. Sie ist nicht messbar oder wägbar – und sie ist nicht objektiv. Alles vermischt und beeinflusst sich gegenseitig. Die Kräfte dieser Innenwelt reagieren pausenlos auf alles, was in der Umgebung passiert. Und das kann uns ziemlich durcheinanderbringen! Der dritte Bereich ist eine Welt der Ruhe und des Abstands. Es geht dabei nicht um einen Abstand auf Kosten des Interesses an unserer Umwelt, sondern um einen, der vielmehr ein Interesse auf einer verständnisvolleren Ebene ermöglicht. Hier wirken nicht die Kräfte der Emotionen und der temporären Auffassungen, sondern die der Werte und Ideale. Sie besitzen den Charakter der Zeitlosigkeit.
So bekommen wir eine Dreigliederung von Körper, Seele und Geist. Diese Unterscheidung wurde von alters her gemacht. Ich versuche, dem einen neuen Inhalt zu geben, denn wenn wir uns mit dieser Anschauung beschäftigen, können wir eine Menge über uns selbst und unseren Umgang mit anderen erfahren.
Natürlich bedarf es einer gewissen Anstrengung, diesen Weg zu den Tiefen unseres inneren Wesens zu gehen. Diese Fähigkeit ist erlernbar, indem wir sie schlichtweg üben.
Und woher nehmen wir die Zeit, wenn wir ohnehin ein so anstrengendes Leben haben? Das ist auch eine Frage des Investierens. Die Zeit, die wir dafür brauchen, gewinnen wir letzten Endes in reichem Maße zurück, indem wir all die Verwirrungen vermeiden, die uns ohne diese Unterscheidungsfähigkeit entstehen. Und die Ausdauer? Lassen Sie es mich Ihnen sagen: Die bekommen wir ganz von selbst auf dem Weg, den wir gehen, wenn wir uns bewusst entwickeln wollen.